Inhalt
Baron Karol wird kurz vor der Hochzeit seiner Tochter in seinem Arbeitszimmer tot aufgefunden, blutleer und mit Bissspuren am Hals. Inspektor Neumann hält nichts von den abergläubischen Theorien der Einheimischen, dass ein Vampir dafür verantwortlich ist. Er lässt Professor Zelin als Experten dazukommen, doch der ist sehr wohl der Ansicht. Nun gilt es die junge Braut vor dem unheimlichen Graf Morla zu schützen, der das Dorf in Angst und Schrecken versetzt.
Kritik
Die Namen von Regisseur Tod Browning („Freaks“) und Darsteller Bela Lugosi („White Zombie“) sind wohl auf alle Ewigkeit miteinander verbunden, seit das Duo 1931 mit der ersten, offiziellen Verfilmung von „Dracula“ für UNIVERSAL unsterblich wurde. Für den unbekannten Bühnendarsteller Lugosi der große Durchbruch und gleichzeitig ein ewiger Fluch, die Rolle des Vampirs konnte er nie wieder abschütteln, woran er letztlich zugrunde ging (sensibel porträtiert in dem wunderbaren „Ed Wood“ von Tim Burton). Auch in „Das Zeichen des Vampirs“ legt er mal wieder den dunklen Umhang um und schleicht mit dem typischen Dracula-Blick durch die Gegend, Tod Browning ist ebenfalls an Bord. Fast scheint es so, MGM wollte seinen eigenen „Dracula“ im hartumkämpften Studiokrieg haben. Diesem Eindruck lässt sich lange Zeit kaum verwehren, doch selbst wenn es so wäre, der Punktsieg liegt klar bei MGM. Selbst im direkten (eigentlich unangebrachten) Vergleich ist dies nicht nur der bessere, sondern vor allem der besser gealterte Vampirfilm.
Allein inszenatorisch ist das hier eine ganz andere Hausnummer gegenüber dem immer wieder nostalgisch in den Himmel gelobten Klassiker von ´31, der filmhistorisch natürlich einen gewissen Stellenwert genießen muss, sich aber auch berechtigter Kritik zu stellen hat. Lugosis stilbildende Präsenz mal ausgenommen, heute lässt sich über den ersten, echten „Dracula“ („Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ verfilmte den Roman an der Grenze zum geistigen Diebstahl bereits 1922, und trotz wesentlich geringere Möglichkeiten um Längen besser) nicht mehr viel Positives sagen. Fast schon bieder, extrem Bühnen-lastig und hölzern-theatralisch ist er vorgetragen, schöpft die Möglichkeiten des Medium Films nur sehr reduziert aus. Regisseur damals wie hier: Tod Browning. Während Lugosi in (unfreiwilligen) Stillstand verfiel (oder gezwungen wurde), entwickelte sich Browning auf seine alten Tage radikal weiter („Im Zeichen des Vampirs“ war sein drittletzter Film) und erstaunt durch eine (fast) zeitlose Inszenierung. Zumindest eine erstaunlich moderne für seinen Jahrgang.
Die damals schon verhältnismäßig sehr große Erfahrung von Browning im noch jungen Filmgeschäft paart sich mit dem Einsatz aller zur Verfügung stehenden Ressourcen. Die Geschichte wird flott, aber nicht zu hastig oder abgehackt vorgetragen, Schnitt und Erzählstruktur sind bemerkenswert. In nur 60 Minuten wird alles mit dem nötigen Feintuning von narrativen Tempo und angemessener Geduld bei manchen Szenen erzählt, selbst Alfred Hitchcock („Die 39 Stufen“) war zu der Zeit nicht besser. Auch sonst ist „Das Zeichen des Vampirs“ sehr akribisch und professionell bearbeitet. Die baumelden Fledermaus aus dem Spielzeugladen muss natürlich hier und da zum Einsatz kommen (wurde ja auch Jahrzehnte später immer noch verwendet), aber nur dann, wenn es nicht anders geht. Hier kreuchen sogar echte Tiere durchs Bild, wann immer es möglich ist. Die Bilder greifen fast schon dem später aufkommenden Film Noir vor. Wie hier mit Licht, Schatten und Beleuchtung gespielt wird, enorm viel Wert auf das Auge der Kamera gelegt wird, hervorragend.
Der Star der Films ist Bela Lugosi übrigens nur auf dem Papier (oder Filmplakat), der gute Herr ist eher publikumswirksamer Nebendarsteller. Die Show gehört eindeutig dem sagenhaften Lionel Barrymore („Ist das Leben nicht schön?“) als kauziger Professor, Vampir-Fachmann und Hobby-Hypnotiseur, der seine Rolle mit so viel Spielfreude erfüllt, dass Lugosi dagegen wirkt wie ein geschminkter Kleiderständer. Das allein würde schon reichen, um als Filmfan mit einer nicht reflexartigen Abneigung gegen älteres Material sich diesen unterschätzen Klassiker mal zur Genüge zuführen, der eigentliche Hammer kommt aber erst noch. Die Pointe ist mit gesundem Menschenverstand betrachtet unfassbar cheasy, aber wenn damit jemand 1935 (oder auch heute noch) ernsthaft gerechnet hat, herzlichen Glückwunsch. Unabhängig davon wie saudämlich das ist, allein das zu bringen – zu der Zeit Sehgewohnheiten, Erwartungshaltungen ins Gesicht zu schlagen mit dem Risiko, das weniger dafür aufgeschlossenen Publikum auf alle Zeit zu vergraulen -, ist echt mutig. Und sogar sehr gut vorbereitet, betrachtet man den Film vor seinem geistigen Auge nochmal.
Fazit
Selbstredend ist „Das Zeichen des Vampirs“ nach über 80 Jahren und bei einer überschaubaren Laufzeit von nur 60 Minuten nicht mehr als ein cineastischer Snack für Zwischendurch. Aber der schmeckt richtig gut, obwohl und gerade weil er sich so weit aus dem Fenster lehnt und eigentlich einiges vorwegnimmt, was heute zum guten Ton gehört. Auf seine ganz eigene Art.
Autor: Jacko Kunze