Die Geschichten allein sind es nicht, die diese Filme auszeichnen und so beliebt machen. Seien es Deadpool (2016), Deadpool 2 (2018) oder der dritte Ableger Deadpool & Wolverine – sie alle erzählen eine Geschichte, die jedoch weder herausragend ist noch den Anspruch hat, mehr zu sein als ein Feuerwerk an Referenzen, das seine Witze mit der Feinheit eines Schlagbohrers ohne festen Kontakt vermittelt.
Die Entstehung der Reihe an sich ist bereits eine faszinierende Erzählung. Gekoppelt mit dem Erfolg der Deadpool-Filme steht auch die Karriere von Ryan Reynolds, der 2024 vermutlich einer der bekanntesten und populärsten Schauspieler der Welt ist. Lange Zeit wurde er jedoch belächelt, egal ob er sich ernsthaft und durchaus überzeugend als Charakterschauspieler versuchte oder das Image des Sonnyboys pflegte. Vor seinem Durchbruch mischte Reynolds in mehreren Superhelden-Blockbuster-Flops mit, was eine interessante Perspektive auf Deadpool & Wolverine eröffnet.
Neben der Rückkehr von Hugh Jackman als wütender Backenbartträger ist das auffälligste Element des Films die Verbeugung vor den gescheiterten Marvel-Filmen der letzten 20 Jahre. Gemeint sind hier nicht die unbeliebten MCU-Werke, sondern die andere Kassengifte und Franchise-Killer, die vor dem großen Boom entstanden sind – damals, als Fox noch Fox war und Disney noch Disney.
Diese Verneigungen sind natürlich von exzentrischer Ironie durchzogen, die zu einem Deadpool-Film einfach dazugehört. Der Film nimmt nicht nur frühere Kassenflops aufs Korn, sondern spannt auch die moderne MCU-Maschinerie mehrmals vor den galligen Karren und schleift sie die Straße hinunter. Disney wird es freuen, denn so dürfte der Konzern wieder sympathischer dastehen, genau wie die Marvel Studios, deren augenscheinliche Ahnungslosigkeit, was sie mit ihrem cineastischen Universum anfangen sollen, ebenfalls Ziel von Hohn und Spott ist.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass dahinter Methode steckt. Es ist nichts Falsches daran, diese Witzeleien amüsant oder sogar brüllend komisch zu finden. Es wäre jedoch angebracht zu verstehen, dass ein Blockbuster wie Deadpool & Wolverine von A bis Z durchgeplant ist. Was hier auf der Leinwand oder später im Streaming auf Disney+ präsentiert wird, ist keine Anarchie oder sonst eine Form von Rebellion. Es ist gut umgesetzte, aber komplett repetierte und abgesicherte Selbstironie, die dem Produkt bestens steht – zumindest, wenn man mit dieser Art des Humors etwas anfangen kann. Deadpool bleibt Deadpool und ist trotz Mutanten-Verstärkung durch Wolverine mit seinem dritten Kinofilm nicht darauf aus, irgendetwas anders zu machen. Business as usual, eine sichere Nummer, feiges Abhaken von Kontrollkästchen, braver sowie sturer Dienst nach Vorschrift. Sucht es euch aus. Es wird passen.
Der Unterhaltungswert des Films wird durch das geschäftliche wie künstlerische Kalkül nicht sonderlich beeinträchtigt. Der Titel bietet zwei Stunden Deadpool-Entertainment nach Maß, voll mit Cameos, Easter Eggs, dummen Sprüchen, übertriebener CGI-Gewalt und einer Handlung, die praktisch dazu dient, den Merc with a Mouth mit Wolverine zusammenzubringen. Keine Sorge, liebe Fans des düsteren Helden-Abgesangs Logan - The Wolverine: Der Film wird thematisiert und auch verulkt, doch ihr müsst nicht befürchten, dass Regisseur Shawn Levy Dinge in der Timeline bzw. im Universum anpasst, die vielleicht unberührt bleiben sollten.
Levy, der bereits Reynolds (Free Guy) und Jackman (Real Steel) in anderen Projekten drehte, überlässt das Rumfummeln an Zeitlinien und dem Multiversum lieber seiner Titelfigur. Sonderlich viel wird daraus jedoch nicht gemacht, abgesehen von den erwartbaren Frötzeleien gegen Marvel und Disney. Auch die Schurken des Films, gespielt von Emma Corrin (A Murder at the End of the World) und Matthew Macfadyen (Succession), gehören klar zur Kategorie „Nice to have“, ohne jedoch wirklich einprägsam zu sein.
Ein ähnliches Schicksal teilen Deadpools Freunde wie Taxifahrer Dopinder (Karan Soni) oder Freundin Vanessa (Morena Baccarin). Nicht nur im Titel, sondern auch im eigentlichen Film wird klargemacht, was hier wirklich zählt. Problem: Deadpool. Da ist der Blockbuster dann doch sehr konservativ und angepasst, folgt einer ehrbaren und auf Gefühlen gegenüber seinen Freunden wurzelnden Motivation. Es wirkt aber ungelenk, wenn eben diese Freunde als schlapper Beiwerk fungieren. Ganz zu schweigen davon, dass eine wirklich empathische Bindung so gut wie unmöglich ist, weil Deadpool natürlich alles und jeden verballhornt.
Diese Kleinigkeiten sorgen dafür, dass Deadpool & Wolverine immer mal wieder Längen hat. Nicht in einem Maße, dass sie auffallen oder signifikant stören würden, aber sie tragen dazu bei, dass die Geschichte manchmal dann doch zu plump wirkt – selbst für einen Film, dessen Merkmale klar woanders liegen, zum Beispiel bei den Actionszenen. Bei diesen werden keine Experimente gemacht. Das R-Rating (hierzulande FSK16) wird zur Genüge mit allerlei spritzigen Ideen ausgereizt: Abgetrennte Köpfe, Klingen, die sich durch Körper bohren, saftige Kopfschüsse – all das wird effizient dargeboten. Allerdings sollte noch einmal klargemacht werden, dass das Kunstblut meistens aus dem Rechner kommt. Stört das immens? Nein. Wäre es anders schöner? Ja.
Dafür bietet Regisseur Levy aber wirklich solide Action. Der Kampf zwischen Logan und Wilson im begrenzten Raum eines Hondas dürfte dabei am klarsten herausstechen. Es ist Deadpool & Wolverine zwar anzumerken, dass der Action immer ein bisschen die richtige Durchschlagskraft fehlt, aber da gab es auch bei Marvel schon ganz andere Kaliber von suboptimaler Action und wer braucht schon Konflikte mit richtigem Wumms, wenn es dafür zwei Hollywood-Stars zu bestaunen gibt?
Reynolds und Jackman agieren in ihren größten, bekanntesten und erfolgreichsten Paraderollen. Der eine ironisiert alles und jeden, der andere will nur seine Ruhe haben und fährt die Krallen aus, wenn es darauf ankommt. Das funktioniert alles ganz wunderbar. Das Zusammenspiel sowie die Fusion beider Präsenzen auf der Leinwand sind gelungen. Dass Wolverine zu lange und auch ein wenig zu gewollt im Modus seines letzten X-Men-Films verharrt, trübt diesen Eindruck etwas, aber auch dies ist ein Makel, der absolut verschmerzbar ist – und Schmerzen halten sowohl Wolverine als auch Deadpool aus, warum dann nicht auch ihre Fans?
Diese haben vor dem Release des ersten Deadpool ja schon viel erleiden müssen, genau wie Fans anderer mittlerweile bekannter Superhelden. Wenn der Abspann von Deadpool & Wolverine läuft und die Macher uns eine Collage bestimmter gescheiterter Blockbuster aus ihrem Universum zeigen, ist dies das einzige Mal, dass der Film – wenn auch immer noch kokettierend – mit einem gewissen Ernst herausstellt, dass hinter schlechten Filmen auch nur Menschen stecken. So viel liebenswerte Aufrichtigkeit hätte man diesem Film nicht zugetraut.
Am Ende wirkt Deadpool & Wolverine wie ein durchkalkulierter, effizienter Spaß, der nicht nur die Vergangenheit des Superhelden-Booms verspottet, sondern auch verpasste Möglichkeiten. Gleichzeitig schafft er ein Bewusstsein dafür, dass auch Fehler und Misserfolge etwas formen und erschaffen können. Die ganz große Liebeserklärung an vielfach gescholtene und abgestrafte Filme ist es nicht, aber der erfrischende Hauch von Akzeptanz ist deutlich zu vernehmen.