Die späten 60er waren die absolute Blütezeit des Italo-Westerns. Neben den ganz großen Meisterwerken des Genres entstanden damals natürlich ebenso unzählige Billig-Schnellschüsse, aber im Schatten der Giganten auch einige sehenswerte, vielleicht nicht ganz so zeitlos-prominente Exemplare. Zu eben jenen zählt Von Mann zu Mann (bei uns besser bekannt als Die Rechnung wird mit Blei bezahlt, im Zuge der Neuauflage wortwörtlich vom italienischen Originaltitel Da uomo a uomo übersetzt), der sicher nicht auf einem Level mit den drei Sergios (Leone, Corbucci, Sollima) spielt, dafür die zweite Reihe würdig (mit)anführt.
Die Eröffnungssequenz – die immer wiederkehrende Schlüsselszene des Films – ist bereits das Prunkstück (etwas schade, aber wenn es so weitergegangen wäre könnte man kaum einen Qualitätsunterschied feststellen), erinnert stark an die zweite, große Einstellung von Leones Klassenprimus Spiel mir das Lied vom Tod. Eine harmlose Farmerfamilie wird in einer stürmischen Nacht von skrupellosen Outlaws aufs gewalttätigste ausgerottet, nur nicht ganz so gründlich wie von Henry Fonda. Denn das Nesthäkchen Bill wird vom Killerkommando übersehen, darf dafür miterleben wie seine Liebsten geschändet und umgebracht werden. Einige markante Wiedererkennungsmerkmale der maskierten Scharfrichter brennen sich in sein Gedächtnis ein und sind auch 15 Jahre später nicht vergessen. Die Zeit des Heranwachsens wurde nicht mit Trauerbewältigung verschwendet, sondern zur Perfektion der Hand-Auge-Koordination genutzt, mit einem eindeutigen Ziel. Vergebung ist im Angesicht der traumatischen Begebenheiten nicht unbedingt angesagt, lieber Gleiches mit Gleichem vergelten.
Der erwachsene Bill (John Phillip Law; Jagdzeit) ist bereit für die Konfrontation, hat nur keinen Schimmer, wo er die längst untergetauchten Hassobjekte aufstöbern kann. Bis Ryan (Lee Van Cleef; Zwei glorreiche Hallunken) auftaucht, der offenbar das selbe Anliegen hat und einen enormen guten Riecher, wo und wie er zu suchen hat. Es entsteht eine Art (mit der Zeit) freundschaftliche, nur leicht unsportliche Konkurrenzsituation, wer beim nächsten Galgenvogel – die inzwischen fast alle ein angeblich vorbildliches Leben führen – den Finger am Abzug haben darf. Während der Zuschauer früh im Bilde ist, warum der nicht mehr ganz so flinke, im Gegenzug extrem ausgekochte Ryan dem pfeilschnellen und präzisen, allerdings noch etwas ungestümen Bill die längst überfällige Rache nicht gönnen will, hat dieser keine Ahnung und hinterfragt es auch nicht weiter. Sollte er mal machen, denn Ryan zählte selbst zu den Schlächtern, wurde später nur von seinen Freunden verraten. Das Zuchthaus scheint ausnahmsweise tatsächlich einen Sinneswandel herbeigeführt zu haben, das Monster von einst hat aus seinen Fehlern gelernt. Was nicht heißt, dass dadurch alles vergeben und vergessen ist. Nicht gegenüber der Verräter und – wenn endlich der Groschen fallen sollte – ganz bestimmt auch nicht von Seiten Bills.
Giulio Petroni (Tepepa) versteht offenbar sein Handwerk. Inszeniert einen formell einwandfreien Italo-Western mit einem von Rache getriebenen, (teilweise) amivalenten und sich nicht immer einigen Anti-Helden-Duo, das auf intensive Zusammenarbeit zunächst keinen gesteigerten Wert und sich gleichzeitig lieber immer wieder Steine in den Weg legt, im entscheidenden Moment wird sich aber gegenseitig regelmäßig der Allerwerteste gerettet. Letztlich ziehen sie natürlich doch an einem Strang, nur der allwissenden Zuschauer wartet nur auf den Moment, wenn es unweigerlich zur Stunde der Wahrheit kommen muss und die Best-Friends-Forever-Situation konsequenterweise mit Blei in irgendeiner Brust ein jähes Ende finden sollte. Das zögert Von Mann zu Mann bis ins Letzte hinaus (was gut ist), braucht dafür vielleicht mit 115 Minuten etwas zu viel Zeit und krankt mitunter an dem nicht ideal besetzten John Phillip Law. Bemüht versucht das Milchgesicht auf hasserfüllten Heißsporn zu machen und wirkt dabei etwas arg verkrampft, wogegen sein Partner – die schon leicht graue Western-Eminenz Lee Van Cleef – das mit aller Souveränität lässig aus der Hüfte spielt. Dem kann und braucht man nichts mehr erklären, einfach draufhalten, der alte Lee regelt das schon. Dazu gibt es feine Bilder von Carlo Calini, einen gewohnt stimmigen Score von Ennio Morricone, mit Luigi Pistilli (Der Schwanz des Skorpions) einen charismatischen Antagonisten und ein tolles Belagerungs-Finale mit Sandsturm. Im Gegensatz zu manch anderen Spaghetti dieser Tage sieht das niemals aus wie für eine Handvoll Lire runtergedreht, die Schönheitsfehler trennen nur sehr gut von mehr.