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Kritik
Momentan darf sich die fünfte Staffel des AMC-Formats „The Walking Dead“ in den Vereinigten Staaten über ansehnliche Einschaltquoten freuen. Robert Kirkman, Ideengeber und Autor der seit 2003 von Image Comics vertriebenen Comicbuchreihe, ist es bis aber bis heute ein Rätsel, wie sich diese Serie nur derart ins Zentrum der Öffentlichkeit aufschwingen konnte. Die Dokumentation „Doc of the Dead“, in der sich Robert Kirkman natürlich auch einige Male zu Wort melden darf und seine beständige Verwunderung über den kommerziellen Erfolg von „The Walking Dead“ abermals in die Kamera spricht, versucht dem Mythos der mehr denn je florierenden Zombie-Kultur auf den Zahn zu fühlen. Wieso üben die verseuchten Wiedergänger nur eine solche Faszination auf die Menschheit aus? Warum treffen sich über 15.000 Menschen regelmäßig, um an sogenannten 'Zombiewanderungen' teilzunehmen? Um auf diese Frage Antworten liefern zu können, benötigt es wohl nur den Blick in den Spiegel: Sie sind wie wir, allerdings in einem starren Zustand zwischen Leben und Tod gefangen.
„Doc of the Dead“ kommt natürlich auch zu der Erkenntnis, dass der Reiz des Zombie-Films zum einen in seiner metaphorischen Klasse begraben liegt, gleichwohl aber auch in seiner tragischen Dimension, mit der uns so ziemlich jeder Film, ob Kleinod oder Schleuderware, auf den Pelz rückt. Wirklich erschütternd nämlich wird es nicht dann, wenn uns ein namenloser Untoter über die Wiese verfolgt, sondern wenn es unsere Liebsten sind, die äußerlich noch als Mutter, Vater, Tochter oder Sohn zu identifizieren sind, im Inneren ihrer Seele aber beraubt wurden und einzig dem Fresstrieb ausgeliefert scheinen: Ein Zombie-Film bedeutet auch immer Kompromisslosigkeit, es kann zu keinem verbalen Austausch kommen, die Kommunikation liegt brach, was bleibt, ist ein archaisches Prinzip: Fressen, oder gefressen werden. Alexandre O. Philippes Dokumentation ist daher auch in der Hinsicht dienlich, dass sie auch dem Zuschauer mal wieder die Frage offeriert, warum Zombies für einen persönlich derlei Begeisterung wecken. Und antworten gibt es darauf genügend!
Wo „Doc of the Dead“ als filmhistorisches Rahmenprogramm einen Bogen von „White Zombie“ bis hin zu „World War Z“ spannt, geht die Dokumentation weiteren Konnotationen (wissenschaftlich, biologisch, medizinisch) zwar nicht bis auf den Grund, aber sie spricht sie zumindest an. Dass der Zombie auf keine literarisch-tradierte Erzählung zurückgreifen kann, sondern der volkstümlichen Überlieferung entstammt, hat auch dazu geführt, dass sich das reine Filmmonster an keinerlei festgeschriebener Norm halten musste, sondern an sensationsheischenden Brauchtumsideen weidet: Nicht umsonst zieht die Blaupause des Zombie-Films, „White Zombie“, seine Horror-Motive aus dem haitianischen Voodoo, kann es sich aber auch im nächsten Schritt erlauben, ein gotisches Schloss an die Küste zu stellen. Die Mythologie wurde erst durch George R. Romero gefestigt, der den Zombie nicht erfunden hat, da finden würden wir uns in der Stummfilmzeit wiederfinden, ihn und ein ganzes Genre aber bis aufs Letzte revolutionierte. Und so begannen die Zombies nach dem Sci-Fi-Abenteuer „Invisible Invaders“ auch als Ikonen der Popkultur Fuß zu passen.
Der Zombie-Film eignet sich nun mal hervorragend dazu, als Projektionsfläche für die Ängste einer jeden Generation zu dienen: Vietnam-Traumata, nukleare Vernichtung, Kalter Krieg und natürlich der Zerfall familiärer Kernstrukturen. Auch haben reale Katastrophen wie 9/11 oder Hurricane Katrina ihren Teil dazu beigetragen, dass uns bewusst gemacht wurde, wie schnell apokalyptische Szenarien Realität werden können und wie rasch es in den Bereich des Möglichen schnellen kann, dass wir mit etwaigen Eventualitäten konfrontiert werden. „Doc of the Dead“ unterbreitet dem Zombie-Enthusiasten nichts Neues, wenn er von wilden Theorien, den Einfluss von Videospielen auf unsere Filmwahrnehmung und der politischen Botschaft innerhalb der Zombie-Kultur berichtet, doch er unterhält, lässt bekannte Gesichter mit Leidenschaft zum Thema schwadronieren und schafft es sogar, aus sexualtherapeutischer Sicht den Zombie-Film für hochinteressant zu erklären. Ein Herz für diese gottlosen Kreaturen muss man einfach haben, dafür sind sie, auch wenn es manchmal nicht glauben möchte, einfach zu vielfältig.
Fazit
Durchaus unterhaltsame, nerdige, aber niemals bahnbrechende oder überwältigende Dokumentation, die der Faszination der Zombie-Kultur mit viel Fan-Liebe auf den Zahn fühlt.
Autor: Pascal Reis