Inhalt
Wie Millionen andere Teenager lebt Donnie Darko in einer Welt, in der New-Age-Gurus und seelenklempnernde Hypnosetanten Hochkonjunktur feiern. Vielleicht einen Tick zugedröhnter, smarter, abgedrehter. Seit die sinistre Stimme in Donnies Schädel vor einer sein Bett zerfetzenden Jetdüse unerklärlicher Herkunft, sowie dem baldigen Einsturz des Himmels warnt, lässt das Zeitreisehandbuch einer verwirrten Greisin dieses Orakel als kosmischen Plan erkennen den seine unplanmäßig fortgesetzte Existenz aus den Fugen kippt. Und letztendlich fällt es Donnie wie Schuppen von den Augen: Diese Welt ist ein Megabeschiss, kontrolliert von Spinnern, nicht selten Verbrechern gegen die er sich mit aller Macht zur Wehr setzen muss.
Kritik
Diese Kritik bezieht sich auf den nachträglich veröffentlichten Director's Cut, der zwar nicht unbedingt 'besser' zu werten ist, als es noch die Kinofassung ist, der Intention seitens Regisseur Richard Kelly aber gerechter wird respektive sie deutlicher zu Tage fördert.
In den Vereinigten Staaten seinerseits übergangen und kategorisch ignoriert worden, ließen sich dem Film doch gefährliche Parallelen zum Terroranschlag vom 11. September nachsagen, fand „Donnie Darko“ seinen ihm gebührenden Ruhm dann schließlich in der Heimkinoauswertung, welche ihm nach und nach zu kultischer Verehrung verhalf, die Richard Kellys Spielfilmdebüt noch heute gar monolithisch mit sich trägt. Dabei bekommen wir es mit „Donnie Darko“ zweifelsohne mit einem Film zu tun, der unter keinem massenkompatiblen Stern steht, sondern seine faszinierende Kraft auf der interpretativen Ebene bündelt und auf jener auch über seine knapp 130-minütige Laufzeit mobilisiert, um den Zuschauer einen Raum zu ermöglichen, in dem er die Chance hat, über das Gesehene reflektieren zu dürfen; in dem er sich mit seinen eigenen Gedanken zurückziehen kann, um sich mit ihnen auseinandersetzen, sie zu deuten und zu klassifizieren – Solang ihm der Sinn danach steht und seine Sehgewohnheiten noch nicht von der hypertransparenten Blockbustermaschinerie abgestumpft wurden.
Bevor man sich aber auf die außersinnliche Perspektive von „Donnie Darko“ einlässt, erzählt Richard Kelly in erster Linie etwas ganz und gar Universelles, das jeden Zuschauer zur Identifikation einlädt: Nämlich eine Coming-of-Age-Geschichte, bei der der 16-jährige Donald „Donnie“ Darko (Jake Gyllenhaal) als Hauptakteur fungiert. Donnie leidet unter paranoider Schizophrenie, befindet sich in psychologischer Behandlung und schluckt Medikamente, die seine imaginierte und unsere reelle Wirklichkeit im Einklang halten soll. Ins behütete Middlesex in Virginia verlagert, einem Vorstadtidyll, das nicht umsonst an das Suburbia aus David Lynchs „Blue Velvet“ erinnert, folgen wir dem Jungen durch seine Welt, die nicht nur von Irrungen und Wirrungen der Adoleszenz ins Schwanken gerät, sondern gerade dann komplett aus den Angeln gehoben wird, als ihm in einer Vision ein mannsgroßer Hase namens Frank gegenübertritt und das Ende der Menschheit prophezeit. Was man als Zuschauer an dieser Stelle glücklicherweise noch nicht realisiert hat, ist, dass „Donnie Darko“ seinem Zeitreise-Sujet bereits dort Luft verschafft hat.
Das Themenspektrum von „Donnie Dark“ bezieht nämlich nicht nur die sensible Coming-Of-Age-Geschichte ein, die gerade dadurch gefällt, wie sensibel sie mit Donnie Darko umgeht und ihn niemals in eine pathologische Schublade zu manövrieren gedenkt, egal wie schräg oder bizarr sein Verhalten auch anmuten mag. Es geht auch um mögliche Paralleluniversen, die zwar nur über einen temporären Zeitraum neben unserem Primäruniversum koexistieren, aber in ihrer sich anbahnenden Implosion verheerende Konsequenzen für dieses tragen können. Der Director's Cut schält diesen Handlungsstrang viel deutlicher heraus, teilt den Film episodisch in einzelne Kapitel, die weiterhin mit Sätzen aus dem fiktiven Buch „The Philosophy of Time Travel“ akzentuiert werden. Und hier beginnt „Donnie Darko“ schließlich wirklich vielschichtig zu werden, weil er die Figur des Donnie Darko in derart viele Richtungen lenken kann, dass hinter „Donnie Darko“ womöglich tatsächlich ein „Superheldenfilm“ steckt, in dem einem Außenseiter das Privileg gebührt, die menschliche Rasse vor dem Untergang zu retten, in dem er sich selber opfert und erlöst.
Immerhin ist es Donnie, der plötzlich mit übersinnlichen Begabungen befähigt ist, der unter Umständen in der Zeit voraus reisen konnte, um den Menschen, die ihm sonst nur in seinem verzerrten Traum begegneten, eine Chance für ihre weitere Existenz zu geben. „Donnie Darko“ lässt sich dahingehend auch als eindringlich-deterministische Passionsgeschichte zu deuten, die mit biblischer Motivik hantiert, unter einem phänomenologisch Ansatz funktioniert, filmhistorische Referenzen schlägt (eine nicht gerade unwesentliche Szene eröffnet Donnie ein Portal aus der Kinoleinwand) und darüber hinaus auch einen melancholischen Abgesang auf eine Dekade inne trägt, in der Träume noch nicht gänzlich verpufft waren, ohne dabei einen nostalgisch verklärten Gestus aufrecht zuhalten. „Donnie Darko“ ist ein Film, der mit der Bereitwilligkeit seines Publikums gedeiht und zerfällt; wer Antworten auf dem polierten Silbertablett verlangt, der ist mit „Donnie Darko“ schlecht beraten. Wer sich mit einem etwas Peroid Picture vertraut machen möchte, das sowohl fordert, aber auch berührt, der ist an der richtigen Adresse. Dieser Film ist eine Bereicherung.
Fazit
Längst zum Kult avanciert, wird „Donnie Darko“ jeglicher Lobhudelei auch gerecht. Richard Kellys Spielfilmdebüt gehört zu den Filmen, die mit dem Zuschauer reifen und ihn immer tiefer in sich ziehen. Atmosphärisch ist „Donnie Darko“ famos, inhaltlich ist es dem Konsumenten geschuldet, eigenen Interpretationsmöglichkeiten nachzugehen. So viel sei aber noch gesagt: Es lohnt sich, denn „Donnie Darko“ ist sowohl sinnstiftendes Futter für den Intellekt, als auch eine berührende Coming-Of-Age-Geschichte. It's a very, very mad world...