MB-Kritik

Die Katzen vom Gokogu Schrein 2024

Drama, Short, Documentary

7.5

Inhalt

In diesem Film geht es um Katzen, viele Katzen - in allen Größen und Altersstufen, von jung bis alt, gesund oder krank, ob Winter- oder Sommerkatzen.  Sie leben in der Umge­bung des kleinen, alten Shinto-Schreins Gokogu, gelegen in Ushimado, einer Hafenstadt an der Inland-See. Es ist ein Paradies für katzenliebende Einwohner und Besucher. Gokogu sieht oberflächlich betrachtet friedlich aus, ist aber auch das Epizentrum eines heiklen Themas, das die örtliche Gemeinschaft spaltet.

Kritik

Es braucht keine Kenntnis Kazuhio Sodas (Peace) voriger dokumentarischer Betrachtungen des unscheinbaren Küstenorts, der auch Schauplatz seines jüngsten Werks ist, um dessen historische Hintergründigkeit und soziologischen Subtext zu erkennen. Doch wer den von nur rund 8000 Einwohnenden bevölkerte Küstenstädtchen Ushimado aus Oyster Factoy und Inland Sea kennt, schätzt die melancholische Meditation umso mehr als Teil einer losen Trilogie über den Ort. An dessen in den Filmen von 2015 und 2018 angedeutetes Schicksal erinnert der Epilog.

Jener beschließt das unterliegende Motiv der unaufhaltsam verstreichenden Zeit. Der Kreislauf von Geburt, Leben und Tod ist in der ruhigen Inszenierung durch unscheinbare Details beständig präsent. In den Jahreszeiten, die fließende Kapitel markieren, und den Titeltieren. Die Katzen, die es sich um den auf einem Hügel gelegenen Schrein gemütlich gemacht haben, ziehen mindestens ebenso viele Besuchende an wie die Gedenkstätte. Sie komme hierher, „um zu heilen“, beschreibt eine junge Frau den ausgleichenden Einfluss der Tiere. 

Ihr Charme besticht nicht nur das Kinopublikum, sondern die Anwohnenden, die über Krankheiten, Katzenkot und Futterreste klagen. Niemand schikaniert die flauschigen Dauergäste, die offenbar alle Namen haben, oder streitet mit den Katzenfans, die Futter vorbeibringen. Das friedliche Miteinander der überwiegende älteren Menschen machen die unaufgeregte Studie zu einer idealistischen Sozialminiatur über Rücksichtnahme, gegenseitige Wertschätzung und Mitmenschlichkeit. Diese Lektion berücksichtigt auch der Regisseur als ein Taifun über den Ort fegt und es vor seiner Haustür mauzt.

Fazit

Die Titeltiere, die in Kazuhiro Sodas vergangenen Dokumentarfilmen über den Schauplatz Ushimado noch drollige Statisten waren, stehen nun im Mittelpunkt. Trotz der ständigen Präsenz ist das observative Porträt kein Tierfilm. Anekdotische Berichte der Bevölkerung liefern mehr Lokalhistorie und biografische Einblicke als konkrete Informationen über die Katzen. Sie werden zur kryptischen Projektionsfläche der Emotionen ihrer Besuchenden und Bezugspunkt der vielschichtigen Themen des kontemplativen Kleinods. Einfühlsam, durchdacht und mit leisem Humor erzählt das mehr von Menschen als Katzen.

Autor: Lida Bach
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