Als Atheist wird man in dieser Welt viel zu häufig zur Verzweiflung gezwungen. Immer wieder kommt es vor, dass Religion instrumentalisiert und Glaube genutzt wird, um die Welt in blasse Würfel zu teilen, die wenige bevorteilen und viele ausgrenzen. Immer wieder wird Glaube als tatsächliches Argument genutzt, um das Nutzen seines Hirns zweitrangig dastehen zu lassen. Man kann sich nämlich nicht entscheiden, etwas zu wissen. Man kann sich aber entscheiden, etwas zu glauben. Dass eine dermaßen faktenbefreite Einstellung irgendwo menschlich ist, darf man dabei gerne einsehen. Sobald dabei jedoch die Freiheit anderer eingeschränkt wird, ist diese sinnlose Ignoranz nicht zu übertreffen. Pablo Larrain, ein Regisseur, der zunächst mit seinem politischen Film No! bekannt wurde, kümmert sich nun um die Kirche, um Glauben und um Vergebung. Das Ergebnis ist eine eiskalte Abrechnung mit einer Institution, die niemals aufhören wird. Auch das kann zur Verzweiflung treiben.
Der Film beginnt in der Dämmerung. Die Wellen brechen unaufhörlich am Strand einer chilenischen Küste. Ein Hund rennt im großen Kreis einem Spielzeug hinterher, das von einem Mann geführt wird. Die Spuren des Hundes im Sand treiben eine tiefe Kehre. Als die Sonne schließlich aufgeht, scheint der Mann ernsthaft erleichtert zu sein. Erleichtert, dass die Welt noch existiert, Gott noch nicht aufgegeben hat und das letzte Gericht noch um etwas Zeit verschoben werden konnte. Es sind solche Bilder, die Larrain als wahrlich talentierten Filmemacher kennzeichnen, sich tief ins Bewusstsein des Zuschauers bohren und dort stecken bleiben. Dies wäre an sich schon ausdrucksstark genug, dies würde schon reichen, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen; doch das, was dem Film seine immense Wucht verleiht, ist das Drehbuch.
Von einem „Club der verlorenen Priester“ sprach der Regisseur in einem Interview. Priester, die von der Kirche in abgeschiedene Häuser in aller Heimlichkeit versetzt wurden, da sie sonst der Justiz ausgesetzt und dem öffentlichen Bild der Kirche schaden würden. Inspiriert von allerlei realen Fällen und Personen, vereint der Film dennoch keine direkten Adaptionen. Er schmückt sich nicht mit dem „basierend auf einer realen Geschichte“-Banner und erhebt auch ansonsten keinen Anspruch auf dokumentarische Wirklichkeit in der Darstellung der Handlung. Viel mehr wirkt der Film wie eine Abrechnung, die jedoch auch einer Faszination erliegt. Schließlich weiß man nicht, was alles tatsächlich passiert ist - man weiß nur das, was bis jetzt ans Tageslicht gekommen ist. Larrain zersetzt das Antlitz des Christentums mit einer giftigen Säure. Der des Hasses, der Propaganda, der Menschenverachtung und Freiheitsberaubung unter dem Deckmantel der Gotteshörigkeit.
Als zu Beginn des Films ein Neuankömmling in dem „Clubhaus“ von einem Fremden beschuldigt wird, Kinder missbraucht, sich selbst befriedigt und weitere Sexualstraftaten begangen zu haben, wird ihm eine Waffe in die Hand gedrückt. Er soll dem Fremden ein wenig Angst einjagen, stattdessen jagt er sich eine Kugel durch die Schläfe und bricht tot auf den Treppenstufen zwischen Straße und Haus zusammen. Das Blut wird später von Monica (Antonia Zegers) abgeschrubbt werden und auf die Straße laufen, während eine Stimme von Vergebung und Erbarmen singt. Kühler kann man mit einem Verzweiflungssuizid gar nicht umgehen, desinteressierter kann Mimik gar nicht aussehen. In dieser Nüchternheit scheint eine gewisse Süffisanz durchzuscheinen, die Larrains Position zu diesem Inhalt klar definiert. Doch zeigt sich in dieser Szene auch, wie so oft, dass die christliche Kirche ein einziges Paradoxon darstellt.
Ein Paradoxon, verkauft sich die Kirche doch gern als Heimat der Vergebung und Begründer des strahlend Schönen dieser Welt, während sie im Inneren hauptsächlich auf Furcht, Schuld und Reue fußt. Reue mag nun nicht unbedingt negativ wirken, doch ist sie in diesem Film eine Eigenschaft, die keine Halbwertszeit, kein Ende, kein Ziel besitzt. Reue, ein Leben lang, Ruhe ein Leben lang. Die hier dargestellten Priester dürfen mit niemandem reden, der nicht zum Club gehört. Zu sehr haben die Männer sich beschmutzt, als dass die Kirche sie als Vertreter ihrer Werte haben möchte. Zu schwerwiegend sind die Fälle von Pädophilie, Vergewaltigung und sexueller Versklavung, zu pikant die Geheimnisse, die Priester erfahren, die die Beichten durchführen. Diese Tatbestände werden in Larrains Film überdurchschnittlich oft beschrieben und behandelt, nie aber gezeigt. Weniger schockierend ist der Film dennoch nicht, ganz im Gegenteil - in seinen ärgsten Momenten gleicht El Club einem Tritt in die Magengrube.
Denn wenn sich der von der Kirche geschickte Seelsorger (der eigentlich nur überprüfen soll, ob von den Männern des Clubs eine Gefahr für die Kirche ausgeht), als einigermaßen sadistischer Machts-Masturbierer entpuppt, der den Männern beweisen will, wie klein und machtlos sie ihm gegenüber sind, da fragt man sich, wo die Grenzen der Vernunft bei Glauben eigentlich verlaufen. Kirche und Glauben werden stets instrumentalisiert. Personen, die sich als Vertreter Gottes inszenieren, tun dies nie mit Logik oder Argumenten, dafür stets mit Härte; denn wer weiter geht, der scheint einen guten Grund zu haben. Interessant ist, dass Gott in diesem Film gar nicht Gegenstand der Handlung ist. Ob er noch existiert, ist eine berechtigte Frage, in diesem letzten Winkel der Welt. Vielleicht hat er seine Kinder allein gelassen, vielleicht haben sie sich aber auch von ihm entfernt. Und wenn Lens Flares wie heilige Sterne über das Bild huschen und die Männer verzieren, die Tiere töten, Kinder missbrauchen und sich dennoch auf einer Mission wähnen, dann sagt Larrain alles, was es zu sagen gibt.