-„Wirst du mich diesmal umbringen?“
-„Ich schneide dir die Kehle durch.“
Tja, und diesmal sind es keine leere Versprechungen. Mitten im Liebesakt schneidet „Dottore“ (Gian Maria Volontè, Vier im roten Kreis) seiner Geliebten Augusta (Florinda Bolkan, Don’t Torture a Duckling) tatsächlich die Kehle durch. Ein eiskalter, berechnender Mord als Höhepunkt einer devoten, perversen und krankhaften Beziehung, deren Ursprünge der Film von Elio Petri (Die Arbeiterklasse geht ins Paradies) in der Folge bruchstückhaft enthüllt, aber davor und nebenbei eigentlich noch viel, viel mehr zu berichten hat. Was Züge eines Thrillers oder Poliziottesco besitzt ist eher eine abgründige, politische wie sozial-kritische Farce über einen unzumutbaren Zustand, der vielleicht nur in dieser radikalen Form ernsthaft zur Sprache gebracht werden kann.
Nach dem ersten Schock - dem völlig unvorbereiteten Mord - folgt prompt der zweite: Dottore ist nicht irgendwer, sondern der Leiter der Mordkommission, der gerade befördert wurde und nun im politischen Büro seiner wahren Passion ungehemmt nachgehen darf. Jagd auf politisch Andersdenkende zu machen, die ihm und seinem Weltbild nicht in den Kram passen. Vorher hinterlässt es den ehemaligen Kollegen jedoch höchstpersönlich einen Mordfall. Und obwohl es für ihn aufgrund seiner Kenntnisse und seiner Stellung ein Leichtes wäre, alle Spuren perfekt zu verwischen, tut er genau dies nicht. Im Gegenteil, er platziert sogar absichtliche Hinweise, die ihn eigentlich sehr schnell als zwingend tatverdächtig hinstellen müssten. Was eben nicht geschieht. Denn ein Mann seines Status, seiner Position würde den Kollegen nicht im Traum als Verdächtiger unterkommen, selbst wenn man sie mit der Nase darauf stößt.
Warum das alles? Warum dieser Mord und wieso setzt Dottore seine Karriere, seine Freiheit, sein Leben aufs Spiel, in dem er vorsätzlich und immer wieder scheinbar nur darauf hinarbeitet, dass man ihm auf die Schliche kommt? Ganz konkret wird die Frage selbst bis zum (großartigen) Finale nicht beantwortet, zumindest bleibt genug Raum für anschließende Diskussionen und Theorien. Am ehesten wirkt es wie ein machttrunkenes, höhnisches Experiment. Felsenfest davon überzeugt, nie für so ein Verbrechen zur Rechenschaft - ja nicht einmal als Täter in Erwägung – gezogen zu werden. Einfach, weil man einer unantastbaren, privilegierten Gesellschaftsschicht angehört. Die die Regeln aufstellt, sich aber nicht zwingend daran halten muss. Ihn wird man nie verdächtigen, egal wie sehr er darum förmlich bettelt. Ihn nicht. Nicht in diesem Italien, das offiziell längst seine düstere Zeit hinter sich gelassen hat, in Wahrheit jedoch noch verseucht und verpestet ist bis auf die Knochen und sein faschistoides Wesen auf höchster Ebene lediglich kultiviert und angepasst hat, anstatt es ad acta zu legen.
Elio Petri zelebriert mit dem Cannes- und Oscargewinner Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger eine unfassbar zynische Abrechnung über einen verkrusteten und von ultra-rechtem Gedankengut dominierten Justizapparat. Verpackt es als gallige Groteske, in der ein furchteinflößend-abstoßender Gian Maria Volontè all das verkörpert, was in zur tiefen Spaltung eines Landes beiträgt. Ein selbstgerechter, menschenverachtender Hardliner, dem alle Macht zu Füßen liegt und seine üble Ideologie nicht nur ungehemmt ausleben darf, sondern dafür noch Beifall auf allen Ebenen erntet. Wer da mit lästigen Protesten und Gegendarstellungen aus der Reihe tanzt, wird als subversives Element in bester Stasi-Manier zunächst observiert, durchleuchtet und als Staatsfeind denunziert, um im Ernstfall nach guten, alten Gestapo-Methoden gebrochen zu werden. Mehrfach macht der Film auf extrem sarkastische Art deutlich, wie eine (mindestens) Zweiklassengesellschaft den „kleinen Mann“ unterdrückt, diskreditiert und einschüchtert, während die Oberschicht sich selbst abscheuliche und sinnlose Kapitalverbrechen erlauben kann. Wobei gen Ende auch deutlich wird, dass Dottore nicht nur aus reinem Kalkül handelt. Seine Tat durchaus von Emotionen und einem geprellten Ego motiviert ist. Was dieses eiskalte Monster irgendwie wieder verwundbar darstellt. Und damit trifft es der Film auf den Punkt: Die überheblichen Gorilla-Spielchen sind nicht nur auf grenzenloser Arroganz und Machtdemonstration begründet, sie haben auch eine emotionale Ebene. Eine hilflose, orientierungslose, von Minderwertigkeitskomplexen geprägte, die dann in Gewalt und Zerstörung mündet. Wie früher schon. Es hat sich wenig geändert.