Das Rape & Revenge-Genre, immer schon eine grenzwertige, äußerst diffizil zu betrachtende Angelegenheit. Zwischen Qualität und Schund liegen oft nur Wimpernschläge, ein Hauch zu viel kann die von Natur aus harte Kost mit einem ekelhaften Beigeschmack versehen, das Gesamte versauen. Streitbar war, ist und wird es immer sein. Höchstens Ingmar Bergmans früher Wegbereiter Die Jungfrauenquelle ist vom allgemeinen Disput ausgenommen. Alles danach muss eventuell höchst diskussionswürdig verteidigt werden, wenn überhaupt.
Wenn es Werke dieser Form verdient haben, dann Bergmans räudige Kinder der 70er. Wes Cravens inoffizielles Jungfrauenquellen-Remake The Last House on the Left (1972) ist vielleicht die größte, beste und wichtigste Errungenschaft dieser Zeit, dicht gefolgt vom alten Schweden Thriller – Ein unbarmherziger Film (1974) und Meir Zarchis Ich spuck auf dein Grab (1978). Bis auf den in seiner Art kaum kopierbaren Schweden alle schon mit modernen Remakes bedacht (oder eher bestraft), die unfreiwillig verdeutlichen, warum das Genre scheinbar so dicht an eine Dekade bzw. ihre Art der Herangehensweise und Umsetzung gekoppelt ist. Diese Filme wollten damals schockieren, Grenzen überschreiten und für einen skandalösen Aufschrei sorgen, gingen dennoch trotz der radikalen Härte mit einem (vielleicht nur versteckten) Respekt mit der Materie um. Was erst deutlich wird, wenn man das mehr oder weniger aktuelle Rape & Revenge-Kino betrachtet. Die frischeste Skandalnudel Even Lambs Have Teeth von DTV-Regisseur & (in dem Fall auch) Autor Terry Miles (Recoil) scheint anfangs sogar erstaunlich viel richtig zu machen, überrascht durch ein gewisses Gespür und zeitgeistlich übergreifenden Umgang, schießt dann aber heftig übers Ziel hinaus.
Offensichtlich scheint Miles durchaus ein Kenner der Vorlagen zu sein, begegnet diesen – im Gegensatz zu dem bereits erwähnten Remakes – mit einer gewissen Ehrfurcht. Statt von vornherein auf dreckig, glatt und düster zu schielen, bricht das Unheil (naiv betrachtet) komplett unvorbereitet in die unbeschwerte Welt zweier Teens ein, ganz im Geiste der geistigen Vorgänger. Selbst der Titel wird erst dann, nach satten 23 Minuten (von gerade mal 79!) eingeblendet. Auch in der Folgezeit macht der Film deutlich mehr richtig als falsch…vorerst. Handwerklich solide, mit einem Hang zum zynischen, bösen, aber nie zu grenzüberschreitendem Sarkasmus, durchaus einem erkennbaren (und nicht nur schlecht kopierten) 70er-Retro-Feeling sowie leichten Querverweisen wird der Rape-Part sogar fast rücksichtsvoll-dezent vorgetragen, auf explizite Szenen verzichtet, die auch gar nicht nötig sind. Allein das lässt sich positiv anrechnen, da es der Wirkung überhaupt kein Bisschen Intensität nimmt. Bis zum (logischen) Umdrehen des Opfer-Täter-Verhältnis ist Even Lambs Have Teeth viel besser als vergleichbares Material dieser Tage, doch dann kommt es knüppeldick.
Im Revenge-Part gehen mit Terry Miles plötzlich komplett die Gäule bzw. die zähnefletschenden Lämmer durch. Nun verwechselt er – im Genre-Kontext – „angebrachte“ Härte mit cool und sexy. Aus den gerade geflüchteten Opfern werden Angry Bitches with Weapons. Hier kommt das Feingefühl ins Spiel, was man den oben genannten Klassikern vielleicht auch absprechen könnte/will. Bei The Last House on the Left, Ich spucke auf dein Grab oder sogar dem noch extremeren Thriller – Ein unbarmherziger Film war der Rache-Akt immer eine ruppige, aber in seiner Härte auch nachvollziehbare Konsequenz. Moralisch (wie immer bei Selbstjustiz) fragwürdig, aber wer da als Moralapostel auftreten will, der soll das gerne tun. Die Frage bei der filmischen Umsetzung ist immer, wie präsentiere ich das, wie lasse ich es erscheinen? Und da missbraucht sich Even Lambs Have Teeth buchstäblich selbst anal mit Stacheldraht. Vergleichbar mit dem I Spit on Your Grave-Remake, in seinem Scheitern sogar wesentlich krasser und unnötiger. Denn dieser Film ist deutlich näher dran an dem ursprünglichen Geist des Sub-Genres, hat einige gute, kleine Momente um sich anschließend völlig im fehlgeleiteten Gewalt-ist-sooo-geil-Charme zu verlieren, dass es alles vorher Geschilderte negativ auf den Kopf stellt.
Exploitation darf und muss sogar drüber gehen, aber doch nicht so maßlos. Die vorher Geschändeten mutieren mit der gewonnenen Freiheit zu sadistischen, blutverschmierten Chicks in knappen Höschen. Sobald der Finger am Abzug den Besitzer gewechselt hat, hat das nichts mehr mit „gerechtfertigter“ Vergeltung zu tun, dass ist Sadismus in Reinkultur, befremdlich aufgeilend, bald schon ärgerlich übertrieben zelebriert. Genau DAS macht den Unterschied selbst zu den rüdesten, skrupellosesten Rape & Revenge-Streifen aus. Man fühlt sich nicht mehr moralisch in die Enge getrieben oder hinterfragt, der Film macht es einem unfreiwillig ganz einfach. Das ist Mist. Zumindest so, wie er sich hinterher darstellt. Man wollte bestimmt das Genre ehren, das lässt sich dem Film allemal abnehmen, aber seine Grenzen erkennt er nicht.