Inhalt
Ein Mann mit gebrochenem Herzen wird auf einer Raststätten-Toilette aus einer der Kabinen heraus angesprochen. Die Stimme eröffnet ihm, dass man auf ihn gewartet habe und seine Hilfe von Nöten sei, um ein gar fürchterliches Ereignis galaktischen Ausmaßes zu stoppen.
Kritik
Wahnsinn, Realität oder realer Wahnsinn?!
Gut möglich, dass H.P. Lovecrafts Werke sowie von selbigen inspirierte Erzählungen anderer Autoren hier und da auch schon einmal auf dem Klo gelesen werden. Dass jedoch eine solche Geschichte einmal auf einer Toilette angesiedelt sein würde, damit hat vermutlich niemand gerechnet. Der Name H.P. Lovecraft wird besonders oft mit den Begriffen kosmischer Horror sowie Cthulhu respektive Cthulhu Mythos in Verbindung gebracht. Kein Wunder, beschäftigen sich doch viele seiner schauderhaften Erzählungen mit galaktischen Wesen, den sogenannten Großen Alten (von denen eines den Namen Cthulhu trägt) sowie deren Mächten. Viele von Lovecrafts Texten weisen dabei ein hohes Maß an Intertextualität auf. Bedeutet, es gibt zwischen ihnen häufig Verbindungen und Querverweise. Quasi eine frühe Form des Marvel Cinematic Universe (kurz MCU). Neben zahlreichen (meist losen) Verfilmungen seiner Erzählungen wie beispielsweise Dagon, Re-Animator oder From Beyond, gibt es viele Filme, die sich an Lovecrafts Schaffen lediglich orientieren. Zu diesen zählen Werke wie Die Mächte des Wahnsinns, Underwater oder eben auch Glorious.
Inszeniert wurde der aus dem Jahr 2022 stammende Glorious von Rebekah McKendry, die zuvor die Werke Psycho Granny sowie All the Creatures Were Stirring abgeliefert hat. Und darum geht es: Wes (Ryan Kwanten, Dead Silence) macht an einem abgelegenen Rastplatz Halt, um sich einen Snack am Automaten zu ziehen. Schnell wird ersichtlich, dass er nervlich wie auch emotional angeschlagen ist. Die Beziehung zwischen ihm und seiner Freundin Brenda (Sylvia Grace Crim, The Hunt) ging in die Brüche, was ihm massiv zu schaffen macht. Er beschließt sich auf dem Rastplatz mit einer Flasche Whisky bis zur Besinnungslosigkeit die Kante zu geben. Am nächsten Morgen will der Fusel wieder aus dem Körper heraus, und zwar auf exakt jenem Weg, auf dem er davor zugeführt wurde. Während Wes‘ Kopf noch in der Kloschüssel hängt, erklingt aus der Kabine nebenan eine Stimme. Als diese ihm im Laufe des zustande kommenden Gesprächs mitteilt, dass auf ihn gewartet wurde, nimmt die zunächst bedeutungslos erscheinende Situation eine beunruhigende Wendung.
Glorious ist ein dialoglastiges Kammerspiel, bei dem das Geschehen die meiste Zeit innerhalb der kahlen Wände eines Raststätten-Klos angesiedelt ist. Im Zentrum stehen dabei der etwas einfältig wirkende Wes sowie dessen seltsamer Gesprächspartner aus der Nachbarkabine. Es dauert nicht lange, bis Wes und somit auch wir als ZuschauerInnen erkennen, dass die Stimme aus der verschlossenen Toilettenkabine nicht etwa zu einem Menschen, sondern zu etwas Andersartigem gehört. Eine fremde Macht, die ausgerechnet auf einem versifften, irgendwo in der Pampa gelegenen Raststätten-Toilette ausharrt, um dort auf jemand ganz bestimmtes zu warten. Jemanden, dem die Macht innewohnt, die Menschheit vor einer Katastrophe zu bewahren. Wes, dem es aufgrund sonderbarer Kräfte derweil weder möglich ist, das kleine Gebäude zu verlassen, noch in die verriegelte Kabine zu schauen, aus der die Stimme ertönt, soll diese Person sein. Dabei ist lange Zeit nicht gänzlich klar, ob das, was Wes erlebt, nicht eventuell seinem angeschlagenen Geist entsprungene Fantastereien sind. Schließlich hat Wes das Ende seiner Beziehung mit Brenda definitiv noch nicht überwunden und was er an dem stillen Örtchen erlebt, erscheint nur allzu surreal.
Gerade am Anfang wirkt die Bereitschaft von Wes, sich an dem merkwürdigen Gespräch dermaßen rege zu beteiligen, fragwürdig. Insbesondere dann, wenn er gebeten wird, seine Zunge herauszustrecken, die er dann fest mit zwei Fingern greifen soll, um der Stimme so etwas nachzusprechen und er dies alles bereitwillig mitmacht. Wes‘ einfältiges Naturell lässt dies dann allerdings wiederum doch nicht allzu weit hergeholt erscheinen. Darüber hinaus weiß die Stimme erstaunlich gut über ihn beziehungsweise seine Person Bescheid. Selbst in seinem eigenen Kopf respektive in seinen Gedanken und Erinnerungen findet Wes keinen Zufluchtsort. Denn Ghatanothoa, so der Name, mit dem sich die Stimme vorstellt, hat Zugang zu diesen. Dazu kommt, dass die Szenerie phasenweise in Lila-, Rosa- sowie Rottöne gekleidet ist, was an Die Farbe aus dem All mit Nicolas Cage (8mm) erinnert. Eine Mischung aus Science-Fiction und Horror, die im Übrigen auf einer Kurzgeschichte von (wer hätte es gedacht) Lovecraft basiert. Diese zeitweise vorherrschende Farbgebung unterstützt den ohnehin schon recht unwirklichen Eindruck, den das mysteriöse Geschehen erweckt.
Gleichzeitig ist der Name Ghatanothoa aber auch mit dem von Lovecraft in seinen Büchern erschaffenen Kosmos verbunden. Dort wird dieser Name von einem der Großen Alten, nämlich dem Erstgeborenen Cthulhus getragen. Einige Fähigkeiten des eigenartigen Toilettenbewohners in Verbindung mit dem, was er zu berichten weiß, verweisen ebenfalls auf dieses Wesen. Obwohl Glorious stellenweise doch ein wenig zäh ausfällt, vermag das Gespräch zwischen Wes und Ghatanothoa insgesamt deutlich länger zu fesseln, als man es im Hinblick auf das limitierte Setting eventuell für möglich halten würde. Dies liegt zum Teil an den mal unterschwelligen und mal offenkundig komödiantischen Untertönen. Doch die Performance von Kwanten, dessen naiver Charakter über weite Strecken an seine Rolle aus der Vampirserie True Blood erinnert, sowie die verbalen Ausführungen Ghatanothoas (im O-Ton übrigens von J.K. Simmons (Spider-Man) gesprochen) haben natürlich ebenfalls einen gehörigen Anteil daran. Dennoch wird innerhalb des Gespräches zwischen den beiden einiges unnötig lange hinausgezögert, damit man auch ja auf die knapp 80-minütige Laufzeit kommt.
Dies hat zur Folge, dass man sich irgendwann unweigerlich die Frage stellt, wann denn wohl mal etwas Signifikantes passieren mag. Zudem wäre, anstatt des ein oder anderen zäher geratenen Moments, ein wenig Effekthascherei durchaus nett gewesen. Viel, soviel sei verraten, bekommt man dahingehend allerdings nicht geboten. Wer auf Action, Tempo oder Abwechslung hofft, wird böse enttäuscht werden. An Schauwerten hat Glorious nämlich nur wenig Interesse und lässt das Publikum entsprechend lange darauf warten. Jenes, was einem dann allerdings an Effekten geboten wird, ist in der Summe zwar mehr als überschaubar, weiß dafür aber im Gegenzug aus technischer Sicht sehr zu gefallen. Weit weniger überzeugend wirkt allerdings das, was das Drehbuch zum Ende hin aus Wes' Charakter macht. Aus Spoilergründen kann an dieser Stelle diesbezüglich nur gesagt werden, dass dies nicht recht zu dem passen will, was man bis dato von ihm mitbekommen hat. Wer für Kammerspiele sowie die Welt aus H.P. Lovecrafts Werken etwas übrig hat, sollte nichtsdestotrotz einen Blick riskieren. Es empfiehlt sich allerdings, mit den richtigen Erwartungen an die Sache heranzugehen und sich nicht etwa von dem reißerischen Plakat täuschen zu lassen. Denn im Grunde handelt es sich bei Glorious überspitzt formuliert um ein einziges langes Gespräch.
Fazit
„Glorious“ ist ein regelrecht surreal anmutendes Kammerspiel mit lovecraft’schen Anleihen. Obgleich Regisseurin Rebekah McKendry bei ihrem dialoglastigen Film kaum Wert auf Action oder Tempo legt, wird man über weite Strecken hinweg gut unterhalten. Dies liegt sowohl an dem zumeist interessanten Gespräch als auch an den komödiantischen Untertönen, die das Geschehen immer wieder durchziehen. Viele Effekte gibt es dabei zwar nicht zu bestaunen, das, was einem allerdings geboten wird, weiß durch die Bank weg zu überzeugen. „Glorious“ mag kein Meilenstein sein, geht aber durchaus als Geheimtipp für Fans von Kammerspielen oder übersinnlichem Horror durch.
Autor: Constantin Wieckhorst