In den Zeiten des Kalten Krieges waren auch und besonders in der US-Filmindustrie die Rollen klar verteilt: Russland, der große, hässliche Feind; USA, ganz wunderbar. Wenn Russen in einem Film auftauchten dann meistens als Antagonisten, im besten Fall als Überläufer oder dankbare Flüchtlinge, die sich in den goldenen Westen integrieren wollten. Eher ungewöhnlich für dieses Zeitalter, das ein US-Film seine Handlung (fast) komplett hinter den eisernen Vorhang verlegt, dabei keine typische Spionagegeschichte erzählt, und auch noch auf die gängige Figurenzeichnung verzichtet. In „Gorky Park“ gibt es tatsächlich guten Russen, böse Amerikaner, aber auch umgekehrt. Kaum zu glauben.
Nach dem Roman von Martin Cruz Smith inszeniert Michael Apted („Gorillas im Nebel“) einen durchwegs spannenden Ostblockkrimi, der den Ost-West-Konflikt zwar nicht direkt zum Thema macht, seinen damalige Aktualität jedoch am Rande miteinbezieht. Die rote Weltmacht ist wenige Jahre vor ihrem Zusammenbruch schon am Bröckeln, Korruption und kapitalistische Interessen haben selbst höchste Staatsebenen längst „unterwandert“, am Ende des Tages arbeitet jeder lieber in seine eigene Tasche als für das Wohlergehen von Mütterchen Russland. Der Westen hat bereits zusehends Einfluss auf den Alltag der Menschen, selbst in der normalen Bevölkerung, die ganz legal zu US-Musik auf öffentlichen Veranstaltungen feiert. Und für geschäftliche Interessen gibt es natürlich immer Löcher im antifaschistischen Schutzwall.Doch manche Leute stehen noch Standhaft zu den Gesetzen, wie Miliz-Ermittler Arkady Renko (William Hurt, „Kuß der Spinnenfrau“), der sich weder dem Westen deutlich hingezogen fühlt, noch wohlwollend über die geheimen, illegalen Machenschaften seiner Regierung und speziell des KGBs hinwegsieht.
Er will einfach nur Gerechtigkeit, die Wahrheit, was ihm schon einmal fast zum Verhängnis wurde. Nun ermittelt er in einem mysteriösen Dreifachmord, bei denen die Opfer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurden. Eigentlich hofft er zunächst, den Fall an den ungeliebten KGB abtreten zu können, der erstaunlich schnell sein Interesse bekundet und ihm das Gefühl vermittelt, dass hier wieder Leute ihre Finger im Spiel haben, die ihm Probleme bereiten könnten. Doch dann kann er nicht anders: Sein Streben für Gerechtigkeit, sein Spürsinn gepaart mit Neugier und nicht zuletzt sein Beschützerinstinkt für die irgendwie in die Geschehnisse involvierte Schönheit Irina (Joanna Pacula, „Tombstone“) lassen ihn weiter bohren und schnell auf die Fährte des amerikanischen Geschäftsmannes Osborne (der Archetyp des US-Amis: Lee Marvin, „Point Blank“) kommen. Nur die Zusammenhänge und vor allem die Beweise fehlen.
Atmosphärisch dicht, über zwei Stunden zwar nie hektisch, dennoch ohne die Spur von Langatmigkeit schreitet „Gorky Park“ voran, und spinnt einen interessanten, mitreißenden Plot, in dem eben nicht die damals gängigen Russland-Klischees aufgewärmt werden, gleichzeitig das marode, langsam in sich zusammenfallende Land und dessen Strukturen glaubhaft wiedergibt und nicht außen vorlässt. William Hurt weiß den Film als idealistischer, dabei nicht realitätsfremder Ermittler, der sich wenn nötig auch am Rande der Spielregeln bewegen muss, mühelos zu tragen. Mit Lee Marvin wird ihm ein Großkaliber als Gegenspieler gegenübergestellt, dessen brummiges, kantiges Charisma sich ideal mit dem von Hurt ergänzt. Besonders ihre gemeinsamen Szenen, wenn sich praktisch ausschließlich in doppeldeutigen, versteckten Drohgebärden mehr oder weniger offen die Wahrheit ins Gesicht gesagt wird, ohne dabei irgendwas zu verraten, sind ganz hervorragend geschrieben und umgesetzt, heizen die oberflächlich kühle, dabei eigentlich stetig brodelnden Stimmung immer weiter an. Michael Apted verliert die Fäden niemals aus der Hand, hält die Spannung konstant oben und lüftet trotz eindeutiger Verdachtsmomente nicht zu früh alle Details.
Bis zum Schluss ist „Gorky Park“ mehr als nur überdurchschnittlich gute Thrillerkost, die leider gegen Ende seinen clever aufgebauten Plot etwas zu deutlich überkonstruiert. Das beginnt schon bei der unverzichtbaren Affäre zwischen Schnüffler und Zeugin, die zwar für die Dramaturgie von entscheidender Rolle ist, in der vorgetragenen Art allerdings extrem ruckartig erzwungen wird. Er ist ein Mann, sie ist eine Frau, das musste ja so kommen. Vor allem wird gleich von großer Liebe gesprochen, obwohl sie ihm nicht vertraut und er von ihr keinerlei Hilfe bei der Lösung des Falls bekommt. Das Finale entbehrt dann auch einiges an Glaubwürdigkeit, schließlich ist einer der mächtigsten, skrupellosesten Geheimdienste der Welt daran beteiligt, eher unwahrscheinlich, dass die sich von einem Mann so auf der Nase rumtanzen lassen. Das schadet dem Film in seinem Realismus unverkennbar, mindert den Unterhaltungswert dabei nicht ernsthaft und darauf kommt es schlussendlich ja meistens an.