Erwähnungen
Hey Arnold: The Jungle Movie
Hey Arnold: Der Dschungelfilm (2018)
- 81 Min AbenteuerKomödieFantasyAnimationFamily
- Regie Raymie Muzquiz
- Drehbuch Joe PurdyCraig Bartlett
- Cast
Inhalt
Arnold ist zurück - und begibt sich in diesem neuen fantastischen Abenteuer an einen Ort, den noch kein Footballschädel vor ihm bereist hat!Als seine Klasse eine Reise nach San Lorenzo gewinnt, wittert Arnold seine Chance: Hier wurden seine Mutter und sein Vater zuletzt gesehen, und so macht Arnold sich auf, das Rätsel um seine verschollenen Eltern zu lüften und diese zu suchen. Wird er sich aus den Fängen missgelaunter Piraten befreien und das Dickicht des Dschungels erfolgreich durchqueren können, um seine Familie am Ende wieder zu vereinen, wovon er schon sein ganzes Leben lang träumt?
Kritik
"Glotz nich so, du Football-Schädel!"
Gab es Nostalgiewellen schon immer? Phasen, die sich in der Popkultur durch das Wiederauflebenlassen eines vergangenen Jahrzehnts wiederspiegeln? Wenn man bedenkt, dass junge Leute älter werden, in ihre jeweiligen Kunstindustrien eintreten und die Trends ihrer Kindheit und Jugend in ihrer Kunst zelebrieren, parodieren und/oder kritisieren, macht es eigentlich nur Sinn, dass dieser Jahrzehntetrend in der Popkultur sich immer um 20-25 Jahre versetzt parallel zu unserem Hier und Jetzt bewegt. Da die 2010er sich allmählich ihrem Ende nähern, ist auch eine unterschwellige Abschwächung der Medien bemerkbar, die sich stark von den 80ern beinflussen ließen. Sie sind natürlich immer noch da, diese Unterteilung ist nicht lässt sich nicht an einem Datum festmachen, aber dass die 90er in der Popkultur der 2020er ein großes Comeback feiern wird, steht nicht nur außer Frage ... es hat bereits begonnen.
Unter anderem ist dies daran zu erkennen, dass alte 90er Cartoons, ob von Nickelodeon, Disney oder Cartoon Network, sich auf Streamingdiensten überraschend (vielleicht nicht sooo überraschend) starker Beliebtheit erfreuen. Zeichentrickserien, wie Doug, Rugrats, Rocko's Modernes Leben, Batman, Pinky und der Brain, Animaniacs und zahllose weitere durchleben im Interent ihre kleine Renaissance, indem sie zwanzig-sonst-was Jahre alten Erwachsenen ein Portal in ihre Kindheit öffnen. Eine Kindheit voller doppeldeutiger Witze, unheimlich viel Charme und Animationen so krank und irrsinnig, dass man sich ernsthaft wundert, wie high man gewesen sein muss, um sich sowas auszudenken, geschweige denn es zu animieren. Looking at you, Ren & Stimpy.
Wenn es dabei jedoch eine Serie gegeben hat, die damals schon so ein wenig unter dem Radar flog und dementsprechend heute kaum in der Diskussion aufkommt, wenn es um 90s Cartoons geht, ist es eine Serie um einen 9-Jährigen mit einem Kopf in der Form eines Footballs, der gerne Leuten hilft. Was damals schon auffiel, wenn man Hey Arnold! einschaltete, war der enorme Kontrast zu den Superheldencartoons oder den "fuckin' weird, maaan"-Serien, die die 90er dominierten. Hey Arnold! hat nie die Muskeln spielen lassen, es rang nie um die Aufmerksamkeit des Publikums; oft war es eine Serie, die man zum ersten Mal deshalb sah, weil sonst nichts lief. Ähnlich wie Doug, war Hey Arnold viel bodenständiger und bewies sehr häufig eine beeindruckende Reife, die man von einer Zeichentrickserie einfach nicht erwartete und man sie deshalb nur zu gerne unterschätzte. Eine Episode, die ganz spaßig daherkam, konnte in den letzten zwei Minuten mit solch einer harschen Lebenslektion um die Ecke springen, dass man sich überfallen fühlte. Was dies angeht waren die besten Hey Arnold-Episoden näher an Cowboy Bebop, als an den sonst üblichen Cartoons dieser Ära. Das Leben eines Kindes wurde mit einem schmerzhaften Detailgrad dargestellt—Hey Arnold! war die erste Serie, in der die Kinder von echten Kindern gesprochen wurden—und befreite seine erwachsenen Charaktere aus der in Kindercartoons sonst üblichen Antagonistenrolle—es ging oft um Midlife Crisis, Arbeitslosigkeit und Depression—und schenkte ihnen somit neue Dimensionen.
Als Kind denkt man sich nichts dabei, wenn Helgas Mutter immer "ein bisschen müde" ist, sich beschwert, weil sie ihren Führerschein "verloren" hat und sich um zehn Uhr morgens mit dem Mixer einen "roten Saft" mixt. Aus erwachsenen Augen ist sie eindeutig eine Alkoholikerin, Arnolds Klassenkameradin Rhonda ist eine Kritik am institutionalisierten Klassismus unserer Gesellschaft. Arnolds Oma wechselt alle paar Stunden die Rollen, was in einem Cartoon sehr lustig sein kann, in Wirklichkeit leidet sie natürlich an fortgeschrittener Demenz, während Schokoberti, ein Junge, der nicht genug von Schokolade bekommen kann, eine Parabel zur hoffnungslosen Drogensucht dargestellt. Und wer nichts mit Metaphern anfangen kann, dem sei die Backstory von Arnolds vietnamesischen Nachbarn Mr. Hyunh serviert, der vor zwanzig Jahren sein Baby einem amerikanischen Soldaten übergab, damit sie ein besseres Leben leben kann und nicht im Kreuzfeuer des Vietnamkriegs umkommt. "Hey Arnold ist eine Serie, die die harsche, alltägliche Realität der Armen und unteren Mittelschicht aus den Augen eines Kindes darstellt und ist in diesem Sinne relevanter als je zuvor.
Ganze 15 Jahre nachdem diese bescheidene Serie ihr Ende fand, feiert sie nun mit Hey Arnold: Der Dschungelfilm ein Comeback und verspricht das Mysterium um Arnolds verschollene Eltern zu klären. Hierbei fällt sofort auf, dass dieser Film, der seit Jahren im Kommen war, was die Inszenierung angeht, mit einem Bombast überrascht, den man in der ursprünglichen Serie weder sah, noch brauchte. Hey Arnold: Der Dschungelfilm schickt Arnold und seine Freunde auf eine Klassenfahrt nach Zentralamerika, wo sie sich in ein Abenteuer àla Indiana Jones stürzen. Einerseits ist es enttäuschend, dass die Heimatsstadt Arnolds, Hillwood—ein Mix aus New York, San Francisco und Seattle—nur im ersten Akt zu sehen ist und generell kaum eine Rolle spielt, war sie, ihre Bewohner und die Probleme, die sie plagten, doch immer der Kern der Serie. Andererseits entpuppt sich das Dschungelabenteuer als eine Alternative, die selbst mit genug Herz und Charme zu überzeugen weiß.
Die ersten zwanzig Minuten von Hey Arnold: Der Dschungelfilm sind eine glorreiche Nostalgierutsche, wo die Essenz der Serie gut verpackt wird, ohne dass es (zum Großteil) gehetzt wirkt. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Regisseur und Showrunner der Serie Craig Bartlett diesen Teil der Geschichte möglichst schnell hinter sich bringen wollte, um seine Geschichte erzählen zu können. Eine Geschichte, die den Fokus auf Arnolds Eltern und seine Romanze mit Helga verlagert.
Beide dieser Aspekte waren wichtige Themen der Serie. Dass Arnold nie über das Verschwinden seiner Eltern hinweggekommen ist, blubberte immer wieder an die Oberfläche, während die innerlich stets zerrissene Helga, die ihre unsterbliche Liebe Arnold nie beichten konnte, für mitunter die besten Lacher der ganzen Serie sorgte. Aber es handelte sich dabei (fast) immer um Nebenhandlungen. Glücklicherweise schafft Hey Arnold: Der Dschungelfilm in beiden Punkten, trotz einiger Pacing-Probleme, eine saubere Landung. Insbesondere Helga brilliert in diesem Film mit einer tollen Charakterentwicklung und Comedy-Einlagen, die allesamt mehr als nur geglückt sind. Leider hat dies zur Folge, dass Arnolds Klasse und auch sein bester Freund Geralt im zweiten und dritten Akt mehr oder weniger zu einer Randnotiz geschrumpft werden. Dennoch bekommen auch sie ihre lustigen, und in der großen Action-Einlage des Films, ihre heroischen Momente spendiert.
Fazit
Obwohl "Hey Arnold: Der Dschungelfilm" das Setting der Innenstadt verlässt, das in vielerlei Hinsicht die Seele der Serie darstellte, schaffen es die Macher den kindlichen Charme, diese unerklärlich-heilsame Aura der Selbstlosigkeit und die frühpubertierenden Liebesgefühle in den Dschungel zu verfrachten. Zwar fehlt dem Film eine gewisse Reife, die in den besten Episoden der Serie den Zuschauer vollkommen übermannen konnte, doch als ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit und ein herzerwärmender, teils zum Schreien komischer Cartoon, funktioniert "Hey Arnold: Der Dschungelfilm" überraschend gut.
Kritik: Kadir Güngör
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