Inhalt
Leiba wohnt mit seiner Frau Sura und dem gemeinsamen Sohn Eli in einem Dorf, hineingesetzt in eine rumänische Landschaft wie gemalt, so schön. Die jüdische Familie betreibt den Gasthof im Ort, Treffpunkt für Reisende und die Dorfgemeinschaft am Ende des 19. Jahrhunderts. Auf den ersten Blick sind die Leute, die hier essen und trinken, alle ähnlich. Sie gehören hierher. In ihren Tischgesprächen offenbaren sich allerdings Vorurteile und rassistische Haltungen.
Kritik
Die Gewalt kommt unvermittelt, unbegründet, ungehemmt. Ein fanatischer Furor, der sich ein Opfer sucht und mit wilder Entschlossenheit darüber herfällt. Das harsche Fazit Andrei Cohns romanesken Lehrstücks springt dem Publikum der 74. Berlinale, auf der die freie Adaption Ion Luca Caragiales 1889 erschienener Novelle An Easter Torch ihre Premiere hat, bereits im parabolischen Prolog entgegen. Ein von Gendarmen gefesselter Wahnsinniger reißt sich plötzlich los und attackiert die Frau des arglosen Protagonisten, ohne dass jemand eingreift.
Die anderen Bewohnenden des rumänischen Dorfes Ende des 19. Jahrhunderts gaffen nur, als die schwangere Seba (Nicoleta Lefter, Bad Luck Banging or Loony Porn) angegriffen wird, und entfernt tönt Musik. Jene verstörende Vermischung von Festlichkeit und willkürlichem Sadismus antizipiert die ambige Atmosphäre des sinnbildhaften Sittengemäldes. Ein solches ist die in malerische Historienbilder gerahmte Erzählung vom schmalen Grat zwischen fragiler Gemeinschaft zu Hass und Hetze auf visueller Ebene tatsächlich. Doch die Lage der jüdischen Familie im Mittelpunkt der Erzählung ist keineswegs friedlich.
Das rustikale Idyll täuscht; sogar Leiba (Doru Bem), der sich trotz der antisemitischen Provokationen der anderen Männer und Gäste seines Wirtshauses ein akzeptiertes Mitglied der Dorfgemeinde glaubt. Doch als eine Meinungsverschiedenheit mit dem jähzornigen Gheorghe (Ciprian Chiriches, Watcher) eskaliert, zieht sich die Schlinge um Leibas Hals unerbittlich zu. Doch der fast schon didaktische Klimax, auf den die Ereignisse allzu geruhsam und geduldig hinarbeiten, ertönt zu spät und dissonant, um das sozialkritische Versprechen der Eingangsszene zu erfüllen.
Fazit
In musealen Genreszenen des dörflichen Rumäniens kurz vor der vorletzten Jahrhundertwende rekonstruiert Andrei Cohn das pittoreske Paradox der sogenannten „feindseligen Toleranz“ der christlichen Mehrheit gegenüber ihren jüdischen Mitbürgern. Gleich eines Schwelbrandes, der jederzeit in Gewalt aufflammen kann, glimmt die alltägliche Aggression unter einer zivilen Fassade. Die passabel gespielte Inszenierung verliert sich jedoch in komischen Possen und flüchtet mit eben jener Feigheit, die es dem ängstlichen Hauptcharakter vorhält, in die die gleiche Feigheit, die bäuerliche Burleske.
Autor: Lida Bach