Inhalt
Alexandra Sells berührender Dokumentarfilm ICE AGED begleitet sechs Frauen und Männer aus aller Welt fast drei Jahre lang, vom hingabevollen Training zuhause in ihren Eishallen bis zum großen Auftritt auf der Weltmeisterschaft im Hobby-Eiskunstlaufen in Oberstdorf im Allgäu.
Kritik
Dass es nie zu spät sei für einen zweiten Anlauf und Rückschlägen nicht entmutigen sollen, diese Message steckt sogar in der Produktionsgeschichte Alexandra Sells (Die Anfängerin) warmherziger Sport-Doku. Vor dieser inszenierte die Regisseurin einen Spielfilm, dessen Protagonistin mit den Menschen in Sells Doku eines gemeinsam hatte: Sie träumte als Kind schon vom Eiskunstlauf und setzte im fortgeschrittenen Alter ihren Wunsch endlich um. Ahnt nun das Leben die Kunst nach oder ließ Sell die Thematik nicht los?
Diese Frage bleibt ungeklärt, denn das lauwarm aufgenommene Kino-Drama erwähnt sie nie. Gelegenheit dazu hätte sie reichlich. Sells romaneske Hintergrunderzählung läuft so unermüdlich wie das halbe Dutzend Frauen und Männer, die sie auf und neben dem Eis begleitet. Die Londonerin Linda, die mit Schaffner David und Gefängniswärterin Nadia ein Eiskunstlauf-Trio formte, die holländische Textilverkäuferin Toos, Elena aus Russland und Roland aus Berlin trainieren für die Weltmeisterschaft im Hobby-Eiskunstlauf. Der Weg nach Oberstdorf im Allgäu ist steinig.
Und lang. Zeit sei das kostbarste Gut, das wir haben, philosophiert Elena während sie an ihrem Laufkostüm näht. Bis so ein Kostüm fertig ist, vergehen Jahre und ähnlich lang zieht sich die Hommage an die idealistischen Sportler*innen. Deren Courage und Einsatz ist bewundernswert. Doch obwohl alle von ihnen die üblichen Höhen und Tiefen im Leben hatten, mangelt es ihren Geschichten an Dynamik und Charisma. Mit Filmthemen ist es wie mit Profisport: Bemühen allein reicht nicht.
Fazit
Im Guten und Schlechten wirkt Alexandra Sells biografische Dokumentation wie das kinematische Äquivalent der Küren, die ihre reifen Protagonist*innen auf dem Eis laufen. Das Engagement ist spürbar, das Resultat wackelig. Indem sie die Tragik in den Lebensläufen, die mit einem fast infantilisierenden Paternalismus ausgebreitet werden, untergräbt die Inszenierung nicht nur die Kraft, sondern Authentizität der individuellen Geschichten. Jene sind tatsächlich das Gegenteil des gefälligen Narratives vom späten Triumph. Es bleibt ein schaler Beigeschmack und Überdruss.
Autor: Lida Bach