„Menschen verschwinden nicht einfach!“Wem es heute nach haptisch-eingängigem Action-Kino trachtet, der wird weniger in den Lichtspielhäusern fündig, als auf dem überwucherten Direct-to-DVD-Markt. Aktuell genießt George Millers „Mad Max: Fury Road“ höchsten Zuspruch, wird von allen Seiten mit Lobeshymnen und Superlativen eingedeckt, muss sich aber wahrscheinlich auch irgendwann mal den Vorwurf gefallen lassen, in seinem hyperbolischen Donnerwetter von eskalativen Wüstenkrawall schnell Ermüdungserscheinungen aufzukochen. Was beinahe vollständig aus dem allgemeinen Blickfeld verbannt wurde, ist der kantige Rabatz, der noch Körper, anstatt Hochleistungscomputer aufeinanderhetzt: Blut, Schweiß und hinausgepresste Adern auf quadratisch-praktisch-guten Muskelpaketen müssen wieder heraufbeschworen werden! Und da haben zuletzt nicht nur die Altherren-Sausen der „The Expendables“-Trilogie zum Teil wirklich wohlige Erinnerung an die 1980er Jahre geweckt, wo man die Probleme noch selber in die Hand genommen hat, um ihnen mit einem gezielten Handkantenschlag jeden Halswirbel auszurenken, auch (exemplarisch) Peter Hyams' „Enemies Closer – Bad Country“ mit Jean-Claude Van Damme oder „Falcon Rising“ mit Michael Jai White wussten zuzupacken.
Dass diese Filme an und für sich nun eigentlich als Gesamtkonstrukt kaum der Rede wert waren, sondern nur durch explizite Einzelszenen gefielen, tut an dieser Stelle nichts zur Sache: Denn wenn es heute dann mal keine abstrakt wummernde Materialschlacht ist, in der sich zwei CGI-Schemen auf die Glocke hauen, darf man reflexartig hellhörig werden. „In the Blood“ von John Stockwell, der vorher zum Beispiel „Into the Blue“ mit Paul Walker und Jessica Alba in Szene setzte, ist so ein Fall. Natürlich kommt es einem vollkommen abwegigen Gedanken gleich, diesem B-Movie-Brett eine Kinoauswertung anzudichten, aber als DTV-Auswurf definitiv überdurchschnittlich, zeigt sich Stockwell doch als Regisseur, der auf seinem Posten vollkommen zweckdienlich fungiert. Mit Gina Carano („Haywire“) entsprechend in der Hauptrolle besetzt, geht es Stockwell prinzipiell um die physische Stoßkraft seiner wuchtigen Amazone, die sich hier während der Flitterwochen mit geballter Faust auf die Suche nach ihrem verschwundenen Ehemann (Cam Gigandet, „Einfach zu haben“) begibt. Und das geht tatsächlich gut ab!
Man wusste schon vorher, dass Gina Carano es durchaus drauf hat, knochenbrechende Hiebe auszuteilen, doch – und damit übertreibt man nicht – keinem Filmemacher ist es vor John Stockwell so gut gelungen, ihre Qualitäten als Power Women so dringlich in Szene zu setzen. Carano ist keine Schauspielerin, ihr Gefühlsdusel versiegt immer wieder in einer irritierenden Indifferenz, als Kämpferin, die sich ihrer Weiblichkeit bewusst ist und schlichtweg zu früh mit dem Tod konfrontiert wurde, lässt sie es jedoch nachhaltig rappeln im Karton. Vor traumhaft-romantisierter Karibikkulisse gibt Carano erst dann auf, wenn auch der letzte Widersacher mit dem Gesicht nach unten im Dreck kauert. Das engbemessene Genre-Korsett dehnt „In the Blood“ um keinen Millimeter, auch Stockwell erfreut sich des epigonalen Antriebs, den „96 Hours“ in der Filmwelt hinterlassen hat, darüber hinaus aber ist „In the Blood“ sauber temperiert: Erst nach über einer halben Stunde regnet es die erste Schelle.
Vorher versucht sich „In the Blood“ daran, das Eheglück zu grundieren, zeigt Liebeleien am Strand und den Unfall, der die Ehefrau zur Furie heranwachsen lässt. Nachdem Carano dann auch einige Male unter Beweis stellen kann, dass die ausgelösten Kopfschmerzen ihrer Schläge auch von einer Aspirin nicht vertrieben werden, perspektiviert „In the Blood“ gänzlich die Recherchearbeit. Da wird dann zwar immer wieder schmerzhaft deutlich, dass es Gina Carano einfach an Talent fehlt, einem Charakter emotionale Tiefe zu verleihen, die Grundspannung kann sich sehen lassen, genau wie die knappen Auftritte von Stephen Lang („Avatar – Aufbruch nach Pandora“), Danny Trejo („Machete“), Luis Guzman („Boogie Nights“) oder Treat Williams („Es war einmal in Amerika“). Ist die Katze erst al aus dem Sack, startet „In the Blood“ endgültig durch, lässt Gina Carano schnauben und wüten, bis der positive Eindruck nur noch von der zugegeben doch recht hässlichen DTV-Optik getrübt wird. Davon mal abgesehen: Ordentlich. Nicht die Welt, aber ordentlich.