Inhalt
Sorgfältig setzen die Hände eines Mannes ein Modellhäuschen zusammen, in dem er wie in einem Schrein eine gerettete Kostbarkeit platziert: ein Familienfoto. So beginnt eine Reise in den Schmerz. Die Dreiteilung der Leinwand rhythmisiert die Bilder. Jede Tragödie ist einzigartig, doch die Wiederholung erzeugt jenes dumpfe Rauschen, vor dem es kein Entrinnen gibt.
Kritik
Assoziative Arrangements und vielfache Überlagerungen motivischer, kategorischer medialer Art machen Rithy Panhs (Exil) Installation zu einer Art filmischem Exorzismus, dessen therapeutischer Effekt den Mitwirkenden mehr dient als einem Publikum. Das ist halb gelähmt, halb gelangweilt von dem flirrenden Inferno auf der dreigeteilten Leinwand, auf die der kambodschanische Regisseur seine und fremde Traumata projiziert. Unauslöschliche authentische Schrecken dominieren seine kathartische Kriegs-Collage, begleitet und betäubt von einem dialogischen Off-Rezitativ (André Wilms, Memorable) zwischen Pathos, Predigt und Plakativität.
Statt einen geschichtlichen Kontext zu liefern, konterkariert die Hintergrunderzählung, verfasst von Panh, Agnès Sénémaud und Christophe Bataille (L'image manquante), die Sogwirkung des erschütternden Archivmaterials. Dessen Auswahl erfolgt nach zeitlicher Distanz und den Regeln einer eigenen infernalischen Ästhetik. „Todeswerkzeug ist unvergleichlich“, heißt es über die, „Es muss versteckt und vorgezeigt werden“. Die Horrorchronik tut vor allem Zweites, zeigt die Gewehre, Erschießungen, Atombomben und Zyklon B und lässt emotional aufgeladene Ortsnamen herunterbeten: Coventry, Dresden, Le Havre, Verdun, Ruanda, Birkenau.
Immer höher türmen sich die Leichenberge von Weltkriegen, Holocaust und Genoziden. „Graue und unscharfe Bilder, zerfetzte Bilder“ von Massenvernichtung und Zerstörung sind zugleich Stellvertreter der kaum bildlich dokumentierten Verbrechen der Roten Khmer, Mörder von Panhs Eltern und abgründiges Momentum der emotionalen Inszenierung. Deren paradoxe Problematik ist der buchstäbliche Overkill. Die Überflutung mit Gräuelbildern begleitet statt empirischer Einordnung pseudophilosophische Prosa, die den finalen Hoffnungsschimmer unabsichtlich als Verblendung enthüllt: „Die Welt brennt jenseits jedes Bildes, jedes Gedichtes.“
Fazit
Ob Rithy Panhs museales Triptychon sein Trauma mildert, bleibt so unklar wie dessen Absicht. Zeitdokumente von Krieg, Genozid und Auslöschung kollidieren mit pathetischer Pantomime, sentimentalen Spielfilmausschnitten und einem penetranten Off-Kommentar: „Was verbirgt der Mensch? Ob er ein Gewissen hat? Oder Augen?“ Sehen sollen die natürlich Panhs Split-Screen-Montage, die mit dergleichen Suggestivfragen moralische Absolution jeder gefühlten Verantwortung verspricht. Doch ein Film kann ethisches Bewusstsein nicht ersetzen, höchstens wecken - wenn er rationaler konzipiert ist.
Autor: Lida Bach