Inhalt
Weil ihr Ehemann Johnny, ein kleiner Ganove, eine große Dummheit begangen hat, begeht die Telegrafistin Blondie O'Hara aus lauter Liebe noch eine größere: Sie kidnappt Caroly Stilton, die drogenabhängige Ehefrau eines einflussreichen Politikers, um ihren Mann aus den Händen des legendären Gangster-Bosses und Jazzclub-Besitzer "Seldom Seen" zu befreien. Am Vorabend der Wahlen und zu den pulsierenden Klängen einer Non-Stop-Jam-Session der besten Musiker der Stadt, beginnt die tragisch-komische Odyssee von zwei ungleichen Frauen, die fast zu Komplizinnen werden.
Kritik
Dieses Kansas City der frühen 1930er Jahre ist ein einziges Tollhaus: Die Prohibition, die große Depression, der Rauschgifthandel, die politischen Ränkespiele, der Rassismus und natürlich der Jazz, der legendäre, ja, vielmehr heilige Kansas-City-Jazz, der hier allgegenwärtig und unausweichlich ist. Er hat sich ins Fundament der Stadt gegroovt; er ist ein Teil ihrer Identität geworden – und damit auch der Bürger, die sich aus Gangstern, Zockern, Schwätzern, Unterdürckten und Liebenden zusammensetzen. Der Jazz allerdings gibt hier den Takt vor, er ist das Metronom für die Inszenierung. Saxophone, Trompeten, Posaunen und Gitarren treiben die Handlung und damit auch Duo um Blondie (Jennifer Jason Leigh, The Hateful Eight) und Carolyn (Miranda Richardson, Das Reich der Sonne) an. Zwei Frauen, die augenscheinlich nichts gemeinsam haben, aber Reibung erzeugt bekannt Wärme, oder?
Nein, Robert Altman (The Player) wird Kansas City in ein ungemein bitteres Ende führen und vor allem darauf aufmerksam machen, dass es zwei Formen von Liebe gibt, die sich im sogenannten Heart of America ausgebreitet haben: Die zweckdienliche und die, die bis in den Tod reicht. Blondie möchte ihren Johnny (Dermot Mulroney, Copykill) aus den Fängen des afroamerikanischen Mobsters und Club-Besitzers Seldom Seen (Harry Belafonte, BlackKklansman) befreien. Dafür entführt sie Carolyn, die Frau des demokratischen Gouverneurs und Roosevelt-Beraters, in der Hoffnung, dass dieser die Muskeln spielen lässt, um Seen ein Stück weit einzuschüchtern. Bis wir aber in Kenntnis darüber gesetzt werden, ob Bonnies Plan wirklich aufgeht, verbringen wird viel Zeit mit der inbrünstigen Jean-Harlow-Verehrerin und ihrer Opium-süchtigen Geisel.
Wir treiben durch ein zumeist nächtliches Kansas City, durch Bahnhofshallen und Kneipen, während die Dunkelheit höchstens von den aufpeitschenden Salven erhellt wird, die aus dem Mündungen der Tommy Guns bersten. Es ist vor allem der wunderbaren Performance von Jennifer Jason Leigh zu verdanken, dass Kansas City neben dem schwungvollen Jazz noch ein weiteres Gefühl der Vitalität entwickeln kann. Ihre Bonnie O'Hara ist ein scharfzüngiges, kratzbürstiges Biest; eine Frau der Tat, auch wenn diese Tat oftmals aus der puren Navität emporkeimt. Jennifer Jason Leigh bringt ein feuriges Temperament mit, welches den Film vom ersten Moment an in Beschlag nimmt. Ihre hochkarätigen Kollegen haben schlicht das Nachsehen – vor allem der ansonsten immer sehr ausdrucksstarke und ehrfurchterregende Harry Belafonte, dessen Kokain-benebelten Monologe irgendwann gehörig das Nervenkostüm strapazieren.
Was der handwerklich sicherlich überaus soliden Ägide von Robert Altman schlichtweg fehlt, ist das Feuer, die Leidenschaft, der schöpferische Impuls, der Kansas City nicht nur zu einer stimmungsvollen, sondern auch zu einer glanzvollen Rekonstruktion der 1930er Jahre erklären würde. Keine Frage, die Ausstattung und Kostüme spiegeln einen überaus konkreten Eindruck vom Lokal- und Sozialkolorit jener Epoche wider, aber dem Film fehlt die erzählerische Dringlichkeit, was ihn nicht nur partiell indifferent und schleppend erscheinen lässt. Es ist letztlich der Liebe zur Musik, der famosen Jennifer Jason Leigh, dem authentischen Vergangenheitsportrait und diesem bitter-konsequenten Ende zu verdanken, dass Kansas City sich immer noch den Status eines durchaus sehenswerten Werkes erarbeiten konnte. Von den Sternstunden im Schaffen Altmans aber man hier weit, weit entfernt.
Fazit
Keines von Robert Altmans Meisterwerken, sondern ein gerade sehenswerter Ausflug ins Kansas City der 1930er Jahre. Zu lethargisch gibt sich die Inszenierung, als dass der Film wirklich in der Lage wäre, sein Publikum voll zu erreichen. Die starke Jennifer Jason Leigh, das stimmungsvolle Ambiente, die tolle Jazz-Musik und das bittere Ende sorgen aber dafür, dass man sich Kansas City durchaus ansehen darf.
Autor: Pascal Reis