Inhalt
Weil Jesper auf der Postakademie als schlechtester Auszubildender abschneidet, wird er auf eine eisige Insel nördlich des Polarkreises versetzt, auf der sich die Einheimischen gegenseitig aus dem Weg gehen, nur wenig Worte machen und schon gar keine Briefe schreiben. Jesper will schon aufgeben, als er Unterstützung durch die dortige Lehrerin Alva erfährt und den seltsamen Zimmermann Klaus kennenlernt, der allein in einer Hütte voller handgefertigter Spielzeuge lebt. Mit diesen ungewöhnlichen Freundschaften kehrt das Lachen nach Zwietrachting zurück und alle Nachbarn werden großzügig, erzählen magische Geschichten und hängen Strümpfe an ihren Kaminen auf.
Kritik
In Zeiten der Millionen- und Milliardenerfolgen von Disney, Pixar und Co. ist es umso schwieriger für kleinere Studios, sich mit Animationsfilmen zu etablieren – vor allem, wenn diese gegen alle gängigen Konventionen verstoßen und kein Produkt für die breite Masse liefern wollen. Sergio Pablos, der mehr als 30 Jahre Berufserfahrung mitbringt und an Klassikern wie Tarzan, Aladdin, Hercules und als treibende Kraft bei der Erschaffung vom ersten Ich, einfach unverbesserlich mitgewirkt hat, entschied sich vor mehr als vier Jahren mit seinem Animationsstudio in Madrid einen riskanteren Weg einzuschlagen.
Klaus ist vollkommen 2D animiert und erlangt seinen einzigartigen Look, der an liebevoll gestaltete Märchenbücher erinnert, durch den Einsatz von volumetrischer Beleuchtung und bestimmter Texturen, die den Film zu einem wahren optischen Spektakel machen. Der Trend, den große Studios verfolgen, nämlich hauptsächlich auf 3D-Animationen zu setzen, die teilweise sehr plastisch und zu perfekt wirken können, ist der Ansatz von Klaus, der von Netflix kurzzeitig auch ins Kino gebracht wurde, ein ganz besonderer. Ziel war dabei zu ergründen, wie die 2D-Animation heutzutage weiterentwickelt aussehen würde, mit modernster Technik, wenn in der Branche nicht der Umschwung auf 3D geschehen wäre.
Wer allerdings nur ein optisches Weihnachtsplätzchen erwartet, wird eine positive Überraschung bei Klaus erleben: Die Geschichte, die sich um den egoistischen (Zwangs-)Postboten Jesper (Jason Schwartzman) rankt, den es für eine Lektion in das ungemütliche Zwietrachtingen verschlägt, wartet mit einer ordentlichen Portion Zynismus, schwarzem Humor und kleineren Anspielungen auf, die vor allem bei einem älteren Publikum für Lacher sorgen werden. Das nordische Städtchen wird von zwei verfeindeten Familien bzw. Clans bewohnt, die den ganzen Tag damit zu bringen, einander Schaden zuzufügen und einander zu bekämpfen. Dabei ist die Stimmung sehr dicht, sowohl die musikalische Untermalung als auch die Gestaltung der Umgebung tragen atmosphärisch dazu bei und moderne Elemente werden geschickt eingewoben. Stück für Stück entfaltet sich der Ursprung der Legende um den Weihnachtsmann, der hier anfänglich einfach nur ein Holzfäller namens Klaus (J.K. Simmons) ist und Einzelheiten, die die Magie dieser ausmachten, werden auf trockene, aber trotzdem unheimlich herzerwärmende Art und Weise ihrer Magie beraubt.
Der wahre Zauber liegt am Schluss in rein menschlichen, moralischen Werten, die besonders zur Weihnachtszeit in der Gesellschaft wieder einen Platz finden: So zum Beispiel Altruismus, Liebe, Freundschaft und Vergebung. Mit dem Wachsen seiner Charaktere, den einzelnen Entwicklungen, die diese durchmachen, werden die Werte Schritt für Schritt mit den Handlungssträngen eingeflochten und noch nie hatten einzelne Klischees solch eine Existenzberechtigung. Denn auch wenn sich Klaus in großem Maße neuen Kniffen und Tricken bedient, so gibt es weiterhin typische Elemente, die vor allem in Weihnachtsfilmen Verwendung finden und auch hier den Spannungsbogen unterstützen.
Die deutsche Synchronisation muss sich zudem nicht vor der englischen verstecken: Ralf Schmitz (7 Zwerge - Männer allein im Wald) macht sich hervorragend als Jesper, Rufus Beck (Die wilden Kerle) leiht dem großen Klaus seine Stimme und Josefine Preuß (Türkisch für Anfänger) versteht es, eine pessimistische Lehrerin Alva mit genau so viel Sympathie zu füllen, dass der Charakter einem direkt ans Herz wächst. Netflix liefert hier also das richtige Futter für eine vorweihnachtliche Zeit, das mit so viel großartigem Individualismus besticht, dass man ohne zu Zögern von einem animierten Meisterwerk sprechen kann.
Fazit
Noch nie war Entmystifizierung so magisch und zynisch: Sergio Pablos schafft es sich mit seinem detailverliebten und höchst emotionalen Werk „Klaus“ einen Namen in der Welt der Animationsfilme zu machen. Ein Film, der jetzt schon das Zeug zu einem langanhaltenden Klassiker hat.
Autor: Miriam Aissaoui