Er galt als der Vater des modernen Zombie-Kinos: George A. Romero schuf 1968 mit seinem Low-Budget-Streifen Die Nacht der lebenden Toten einen wegweisenden Klassiker des Horrorfilms, dessen eigene Interpretation des Zombies-Mythos diesbezüglich praktisch zum kulturellen Leitfaden wurde. Zehn Jahre später folgte mit dem Sequel Zombie - Dawn of the Dead das bis heute unbestrittene Magnum Opus sowohl von Romero als des gesamten Sub-Genres allgemein, bis die Trilogie 1985 mit Zombie 2 – Das letzte Kapitel schließlich ihren ebenfalls starken Abschluss fand. Danach wurde es schnell sehr still um ihren Schöpfer. In den späten 80ern und frühen 90ern sorgten seine Arbeiten für vergleichsweise wenig Aufsehen und ernteten eher gemischte Kritiken, der im Jahr 2000 nach 7 Jahre Pause veröffentlichte Bruiser stellte gar den absoluten Tiefpunkt in einer eingeschlafenen Karriere dar. Es schien vorbei mit einem der wichtigsten Genre-Regisseure überhaupt, bis ausgerechnet ein Remake ihn eine neue Chance bot.
Das Script zu Land of the Dead hatte Romero bereits Anfang des neuen Jahrtausends fertiggestellt, fand jedoch kein Studio, das es zu adäquaten Bedingungen umsetzen wollte. Nach etlichen Änderungen und langwierigen Verhandlungen erhielt er 2004 endlich grünes Licht, was höchstwahrscheinlich auf den großen Erfolg des Dawn of the Dead-Remakes von Zack Snyder & James Gunn zurückzuführen war. Dieser und der zuvor erschienene 28 Days Later hatten das Zombie-Kino wieder salonfähig gemacht. Bewiesen, dass sich damit auch im Mainstream richtig Geld verdienen lässt und sogar die Kritiken stimmen, wenn man Geld und Vertrauen in die richtigen Fachleute investiert. Zwischen 2005 und 2010 durfte Romero somit gleich eine komplett neue Trilogie drehen, den Auftakt bot dieser Film, der theoretisch sogar als direkte Fortsetzung zu Zombie 2 – Das letzte Kapitel betrachtet werden könnte, was der Regisseur jedoch unmissverständlich verneinte.
Romero bleibt seinem gewohnten Stil treu und erzählt bei Land of the Dead nicht nur die Geschichte vom Rest der Menschheit im alltäglichen Überlebenskampf in einer Welt, die von wandelnden Toten beherrscht wird. Wie schon in der Ursprungs-Trilogie dreht er eine zivilisations- und gesellschaftskritische Metapher mit zeitaktuellem Bezug (diesmal besonders gemünzt auf die USA der Bush-Regierung), die sich diesmal allerdings nicht subtil aus dem Subtext schlingelt, sondern lieber plakativ und mit vollem Anlauf einem förmlich ins Gesicht springt. Fast comicartig überspitzt kreiert er die Überreste einer Gesellschaft, die im Angesicht der Apokalypse die berühmte Schere zwischen Arm und Reich endgültig irreparabel auseinandergebrochen hat. Während der Pöbel in dem Slums der abgeschotteten, Fort-ähnlichen Städte-Festungen dahin vegetiert, leben die oberen Zehntausend in ihrem Wolkenkratzer-Elfenbeinturm immer noch in Saus und Braus, standhaft den wahren Ernst der Lage ignorierend oder wenigstens ausblendend, solange es noch Schampus und edle Zigarren gibt. Zuneige gehender Wohlstand und die Illusion von privilegierter Sicherheit, mit der der Status quo und das Machtgefälle krampfhaft aufrecht gehalten werden soll, obwohl die Welt da draußen langsam aber sicher stirbt.
Angeführt oder eher beherrscht von übermächtigen Milliardär Kaufman (Dennis Hopper, Easy Rider, der nach eigenen Angaben die Rolle an Donald Rumsfeld anlegte) riskieren Fußsoldaten wie Riley (Simon Baker, The Mentalist) oder Cholo (John Leguizamo, John Wick) für ein kleines Stück vom Kuchen Tag für Tag bzw. Nacht für Nacht ihr Leben bei der Suche nach Nahrung und anderen Ressourcen außerhalb der Sicherheitszone. Zeitgleich stellt sich beim gierigen, aber bis dato primitiven und rein Instinkt-gesteuerten Gammelfleisch plötzlich ein darwinscher Prozess ein. Langsam beginnen sie zu lernen, sinnvoll zu reagieren, ja beinah zu denken und zielgerichtet miteinander statt nur nebeneinander zu agieren. Die Evolution, sie ist im Totenreich angekommen. Und somit ist der bisher größte und vielleicht letzte Vorteil der Menschheit, ihr Verstand, womöglich bald kein Exklusivrecht mehr. When there’s no more room in hell, the dead will walk the earth, so hieß es einst noch in Dawn of the Dead. Aber niemand hat prophezeit was geschehen wird, wenn die Toten sich zur intelligenten Gattung entwickeln. Zur unweigerlich neuen Spitze der Nahrungskette.
Wie bereits erwähnt fällt Romero mit seiner Satire und Kritik durch die sperrangelweit aufgerissene Tür eher polternd ins Haus und wirkt in seinem zwar apokalyptischen Szenario mit dem immer noch zynischen, aber längst nicht mehr so nihilistisch-düsteren Tonfall weniger erschreckend und fatalistischer als noch zu seinen Spitzenzeiten. Land of the Dead wirkt mehr Mainstream, mehr angepasst an die Sehgewohnheiten einer jüngeren (natürlich schon erwachsenen, aber eben anderen) Generation, die die Dinge gerne direkter, schneller und actionreicher vorgesetzt bekommen, ohne bei einem derartigen Film länger über dessen Botschaft nachgrübeln zu müssen…die sie anderweitig wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen würde. Trotz dieser Zugeständnisse an das Zeitgeschehen, sicherlich auch Produzenteninteressen und natürlich auch einer leichten Altersminderung des inzwischen nicht mehr so wüsten und radikal-kreativen Geist eines George A. Romero, fühlt sich der Auftakt der neuen Trilogie immer noch richtig an, immer noch unverwechselbar wie einer seiner Filme. Wenn auch nicht wie einer seiner besten, aber da hängen die Trauben eben auch verdammt hoch und so richtig hatte das wohl vorher auch niemand erwartet. In einem Punkt hat der alte George auf jeden Fall seine Beißkraft nicht verloren: Der zünftige Splatter-Gehalt ist für eine etwas kommerzieller angelegte Produktion ziemlich mutig. Und die relativ nette FSK-Einstufung (die letzten beiden Teile der Ur-Reihe sind immer noch indiziert) nickt das brav ab, verwunderlich.