MB-Kritik

A Good Jewish Boy 2024

Comedy

Michael Zindel
Agnès Jaoui
Solal Bouloudnine
Eva Huault
Khalid Maadour
Pierre-Henry Salfati
Redouanne Harjane
Jean-Claude Bolle-Reddat
Youssouf Gueye
Marc Geissmann
Maurice Charbit
Thomas Nucci
Yoni Attlane
Bilel Boubtane
Killyan Guetchoum-Robert
Rony Kramer

Inhalt

Der verträumte, optimistische Bellisha lebt mit seiner Mutter Giselle in einem heruntergekommenen Pariser Vorort. Doch als auch der letzte koschere Laden schließt, sind die beiden die letzten Juden hier. Bellisha ist ein freundlicher, und optimistischer junger Mann, und er kann und will seine Identität nicht verbergen, obwohl er es als Jude nicht immer leicht hat. Außerdem ist Bellisha, bereits erwachsen, auch wenn er mit seiner Mutter zusammen wohnt, und es wird von ihm erwartet, dass er einen guten Job, eine nette jüdische Frau und eine schöne Wohnung findet – weit weg von dem verfallenen Viertel, das er so liebt. Leider gestaltet sich die Suche nach all dem als gar nicht so einfach …

Kritik

Gesehen beim 30. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg

Ein junger Mann (Michael Zindel), der sich aufopferungsvoll, um seine Mutter (Agnès Jaoui, Smoking) kümmert. Dieses Szenario nimmt sich der Regisseur Noé Debré zum Anlass, um daraus eine unterhaltsame Tragikomödie im Stil von Good Bye, Lenin zu kreieren. Good Bye, Lenin ist tatsächlich der erste Film, der einem sofort in den Sinn kommt, wenn man sich A Good Jewish Boy anschaut, weil Bellisha genauso wie die Hauptfigur aus Good Bye, Lenin, Alex (Daniel Brühl, Race for Glory) seine Mutter um jeden Preis vor unangenehmen Wahrheiten schützen will und ihr Leben so angenehm wie möglich machen möchte. Da sie aufgrund ihrer Krankheit kaum die Wohnung verlässt, gestaltet es sich zumindest theoretisch sehr einfach, praktisch ist es allerdings ein Kraftakt, weil Bellisha seine Mutter ständig bei Laune halten muss. Sie merkt nämlich sofort, dass das gekaufte Hühnchen nicht koscher ist und das führt dazu, dass das ganze Geschirr in einem Gewässer gereinigt werden muss, um die Teller wieder koscher zu machen.

Aus solchen Situationen ergibt sich viel Skurrilität und dabei hat der Regisseur auch noch die Gelegenheit, sämtliche Klischees über Juden zu beleuchten, die übrigens nicht nur von den Vertretern anderer Religionen verbreitet werden, sondern auch von den Juden selbst. Die Mutter von Bellisha sagt beispielsweise: „Wir können nicht nach Israel gehen. Da sind so viele Juden. Sie betrügen alle.“ Die Selbstironie ist bei solchen Szenen unverkennbar und die pointierten Witze werden stets mit Leichtigkeit und ohne Reue vorgetragen. Auch die Gespräche zwischen Bellisha und seinem Cousin Asher (Solal Bouloudnine, Liebesbriefe aus Nizza) strotzen nur so vor Humor, während sein Cousin ihm beizubringen versucht, wie er auf die Fragen der potenziellen Kunden reagieren soll, wenn er von Tür zur Tür geht, um Wärmepumpen zu verkaufen. Er soll in einer bestimmten Art und Weise erzählen, dass er ein Jude ist und die richtige Betonung ist dabei das „A“ und „O“, denn wenn er die Pause falsch setzt oder einen anderen Ton einschlägt, kann er sein Gegenüber damit unnötig aufregen und das sollte er auf jeden Fall unterlassen, wenn er großen Erfolg Wärmepumpenvertreter haben möchte.

Besonders an dieser Stelle merkt man, wie wichtig, die Auswahl der Darsteller letztendlich für den Film ist, weil jeder dieser großartigen Dialoge so witzig, so charmant und vor allem so natürlich vorgetragen wird und das kann definitiv nicht jeder, gerade, wenn es darum geht, so ernste Themen wie Antisemitismus in einem Film zu behandeln. A Good Jewish Boy macht es mit solch einer Chuzpe und so viel Charme, dass man sich vor dem Talent der Darsteller nur verneigen kann. Dabei wollte der Regisseur sein Regiedebüt eigentlich gar nicht drehen, weil er zwar die Idee zum Film hatte, die Thematik allerdings als zu schwierig empfand. Erst  mit dem Hauptdarsteller an Bord traute er sich sein Projekt tatsächlich zu verwirklichen, weil er sich sicher war, dass Michael Zindel großartig in dieser Rolle sein würde und er behielt Recht. Eigentlich hatte er zunächst auch eine italienische Mama und ihren Sohn im Sinn, weil er sich von den italienischen Komödien aus den 60er Jahren hat inspirieren lassen und einen Film machen wollte, der sowohl lustig als auch bewegend zugleich ist. Doch auch mit einer jüdischen Mama und ihrem Sohn ist das Unterfangen voll und ganz gelungen. Er kreierte einen lustigen, aber auch einen traurigen Film über eine enge Beziehung zwischen Mutter und Sohn, in einer Zeit, in der die Juden aus Pariser Vororten fast gänzlich verschwunden sind, sodass die beiden die letzten Juden in ihrem Viertel sind.

So begegnet Bellisha ständig den Vorurteilen und Klischees und all das ist nicht nur witzig vorgetragen, sondern zeigt auch in ernsten Zwischentönen eine gewisse Diskrepanz zwischen der Art und Weise wie Bellisha sich selbst sieht und wie die Welt ihn sieht. Er wird beispielsweise von verschiedenen Seiten aufgefordert etwas auf Hebräisch zu sagen, obwohl er in Frankreich geboren wurde und der einzige Satz, den er auf Hebräisch sagen kann, ist: „Hevenu shalom alechem“ (Übersetzung: „Wir wollen Frieden für alle.“ Das ist der Text aus einem bekannten jüdischen Lied.) Es ist so süß und lustig, aber auch bewegend, wenn er diesen einen Satz in den unpassendsten Momenten sagt. Die Komik und Tragik gehen hier Hand in Hand und sind so stark miteinander verflochten, dass man manchmal nicht sicher ist, ob man lachen oder weinen soll, doch eigentlich möchte man am liebsten lachen, weil Belisha und seine Mutter so liebenswerte und wundervolle Figuren sind, die tatsächlich echte Menschen hätten sein können: ein fürsorglicher und verträumter junger Mann, und eine Mutter, die großen Wert auf die Einhaltung jüdischer Traditionen legt. Bei diesem Sujet ist gute Laune automatisch vorprogrammiert.

A Good Jewish Boy verliert trotz seines Humors nie die Ernsthaftigkeit aus den Augen und schafft es mit Leichtigkeit solche Themen wie Alltagsrassismus zu problematisieren, insbesondere auch den positiven Rassismus wie den Glauben, dass jeder Jude automatisch Hebräisch kann und ständig in eine Synagoge geht. Es wird kein Blatt vor den Mund genommen und der Humor trifft ins Schwarze und hält der vermeintlich toleranten Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt: Je „toleranter“ und „weltoffener“ manche Menschen sind, desto mehr zeigt ihr Verhalten rassistische Züge und dabei merken sie es nicht einmal selbst. Wenn man beispielsweise einem Juden, der in Frankreich geboren und aufgewaschen ist, mit übertriebener Deutlichkeit sagt, dass er in seinem Viertel willkommen ist, ist es vielleicht nett gemeint, doch trotzdem rassistisch, denn den gleichen Schwachsinn würde man doch auch nicht zu einem einheimischen weißen Christen sagen. A Good Jewish Boy prangert allerdings nicht nur den Rassismus an, sondern plädiert dafür, die ganzen schrägen Situationen, die durch Alltagsrassismus entstehen, eher mit Humor zu nehmen. Auch wenn die Stadt sich mit seinem letzten Vorzeige-Juden brüstet und Bellisha für ein offizielles Bild eine Kippa aufsetzt, dann nimmt Bellisha es gelassen hin und posiert mit den Vertretern aller Religionen in einer Synagoge. Eigentlich reiht sich eine skurrile Situation oder eine Begegnung an die nächste und gibt dem Zuschauer die Gelegenheit auch so eine ernste Thematik wie Rassismus mit Humor zu betrachten, denn je mehr man über eine Sache lacht, desto mehr entzieht man ihr die Kraft.

Fazit

Ein wunderbarer, komischer und gleichzeitig trauriger Film über die Liebe eines jüdischen Jungen zu seiner Mutter. Mit viel Situationskomik, pointierten Witzen und talentierten Darstellern landet der Regisseur mit seinem Regiedebüt gleich einen Volltreffer. Auch wenn die Thematik des Rassismus an sich nicht lustig ist, so schafft es "A Good Jewish Boy" mit Leichtigkeit, dass wir darüber lachen, weil Lachen meist das beste Mittel gegen alles ist und völlig egal welche Hautfarbe oder Religion wir haben, wir alle haben eins gemeinsam: Wir alle wünschen uns den Frieden! „Hevenu shalom alechem“

Autor: Yuliya Mieland
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