Das sogenannte "Wahrheitsspiel" ist der Renner auf einer Party des bekannten Schriftstellers Jean-François Vérate. Dabei geht es darum, jedem Teilnehmer so viele Heimlichkeiten und Geheimnisse wie möglich zu entlocken. Plötzlich gibt es einen Toten und es stellt sich die Frage, wer ihn ermordet hat. Die Gäste befragen sich gegenseitig und bleiben dabei einander nichts schuldig. Gleichzeitig ergeben sich mehrere Tatmotive ...
Kritik
Robert Hossein war ein wahres Multitalent. Früh begann seine Karriere als Theaterregisseur, die er zeitlebens weiterverfolgte. Kurze Zeit späte entdeckte er auch die Kinoleinwand für sich und feierte hier zunächst als Schauspieler erste Erfolge mit dem Kriminalklassiker Rififi. Weitere große Rollen folgten, etwa als Graf Joffrey de Peyray in den Angélique-Filmen oder in verschiedenen Rollen neben Jean-Paul Belmondo in Der Coup oder Der Profi. Fast gleichzeitig mit seiner erfolgreichen Karriere vor der Kamera begann er auch auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Dabei übernahm er in vielen seiner Filme nicht nur die Regie, sondern ebenso die Hauptrolle und wirkte am Drehbuch mit. So auch bei Mitternachtsparty. Als Polizeiinspektor taucht er unmittelbar nach einem Mordfall auf der besagten Party auf und bringt einige der illustren Gäste aus dem Konzept. Dabei greift er immer wieder zu recht fragwürdigen Methoden, die schon bald viele Fragen aufwerfen.
Mitternachtsparty ist eine zynische und zum Teil rabenschwarze Whodunit-Geschichte, die einige sehr interessante und beachtenswerte Stilmittel verwendet. Gleich in der Eröffnungsszene stellen sich alle Figuren der Reihe nach vor, nach dem sie hierzu durch einen Ermittler aus dem Off aufgefordert werden. Dadurch ist man unmittelbar im Geschehen und kennt die Verbindungen und die Hintergründe der Figuren für die nachfolgend im Rückblick erzählte Handlung. Die Runde der Partygäste besteht aus gutbetuchten Künstlern, Unternehmern und deren Ehefrauen. Gebannt lauschen die Gäste zunächst einem Orgelspiel ihres Gastgebers François Vérate (Jean Servais, Die Haut des Anderen), wobei nicht alle von seiner Kunst angetan sind und der Einladung nur aufgrund gesellschaftlicher Verpflichtungen nachkamen. Die etwas steife Runde, die bereits hier mit einigen bissigen Kommentaren auffällt, verliert aber nach und nach ihre Contenance, als sie erfahren, dass ein weiterer Gast zu ihnen stößt. Portrant (Paul Meurisse, Die Teuflischen) zieht so gleich die ganze Aufmerksamkeit auf sich und als man dann auf die Idee kommt zum Vergnügen das Wahrheitsspiel zu spielen, entfaltet sich ein heiteres Spiel, in dem alle Masken fallen.
Die Regeln sind denkbar einfach: Man stellt an eine beliebige Person aus der Runde eine Frage und diese muss wahrheitsgemäß antworten. Das Spiel scheint für die Beteiligten ein adäquates und von allen akzeptiertes Ventil zu sein, um sich endlich mal alles sagen zu können. Dabei kommen Geheimnisse zum Vorschein, die zum Erstaunen einiger gar keine mehr sind. Die Dialoge werden zunehmend bissiger und zynischer und es eine Freude der Runde bei diesem Feuerwerk an pointierten Dialogen zu lauschen. Je weiter das Spiel gespielt wird, desto mehr geht es unter die Gürtellinie und nichts bleibt ungesagt. Angesichts der Entstehungszeit zu Beginn der60er war das schon sehr mutig und deshalb wohl auch der Grund für die FSK 18-Einstufung, mit der man heute noch wirbt. Unterstützt wird das Schauspielensemble von einer herausragenden, experimentellen Kameraarbeit. Mal rotiert sie im Kreis, um die Person einzufangen, die gerade spricht, dann wandert sie von einer zu anderen Seite oder geht vor und zurück, immer auf diejenige Person zu, die gerade an der Reihe ist. Dadurch wird dem ganzen Szenario, das sowieso fast nur in einem Raum spielt, noch einmal etwas Intimeres vermittelt.
Während man dank des Spiels untereinander endlich alle Gemeinheiten herauslassen kann und wo zuvor noch ein höfflicher Umgangston herrschte, galt dies selbstverständlich nicht für Personen, die nicht dem elitären Kreis der Protagonisten zugehörig waren. Portrants junge asiatischstämmige Begleitung (Tiny Yong, Die Blonde von Peking) wird sogleich zur Zielscheibe rassistischer Beleidungen und wird von allen nur als "Es" betitelt. Der Höhepunkt ist schließlich erreicht, als eine Person aus der Runde ermordet wird und schon kurze Zeit später der Polizeiinspektor in der Wohnung auftaucht. Natürlich hatte jeder der Anwesenden ein Tatmotiv. Die eigentlich klassische Whodunit-Geschichte ist dabei noch nicht einmal das Spannendste, sondern vielmehr der gesellschaftskritische Aspekt. Die feine Gesellschaft kann es nämlich nicht lassen weiterhin ihren Eitelkeiten zu fröhnen und so buhlt man gegenseitig darum, wer das bessere Motiv hatte. Lange Zeit hält der verschworene Haufen zusammen und liefert sich Schützenhilfe gegenüber dem Inspektor. Aber bald kippt die Stimmung und dann geht es nur noch darum den anderen ins offene Messer laufen zu lassen. Hossein wirft mit Mitternachtsparty einen Blick hinter die Fassade einer scheinbar heilen Welt, die alles andere als perfekt ist und in der weder Anstand noch Ehrgefühl existieren und es nur darum geht, den anderen zu brüskieren. Niemand wird dabei verschont.
Fazit
"Mitternachtsparty" ist klassische Whodunit-Krimiunterhaltung gespickt mit jeder Menge Gesellschaftskritik. Dank der wortgewaltigen, nicht selten unter die Gürtellinie gehenden Dialoge, ist die Mördersuche fast schon Nebensache, denn viel mehr Freude bereiten die bissigen Wortgefechte und das Ausbrechen aus den gesellschaftlichen Konventionen. Der Film ist ein absolut sehenswertes Stück französischen Kinos, herausragend inszeniert.
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