Die Inhaltsbeschreibung des neuen Films der spanischen Regisseurin Isabel Coixet ("Mein Leben ohne mich") mag so manchen Kinofreund schon bei der Lektüre der ersten Sätze umgehend abschrecken. Eine einsame Schriftstellerin, die durch das Erlangen des Führerscheins wieder Kontakt zu ihrer emotional fragilen Tochter aufbauen will und ein indischer Taxifahrer kurz vor der arrangierten Hochzeit prallen ungewollt aufeinander, lernen vom jeweils Anderen eine wichtige Lektion fürs Leben und schließen letztlich ein enges und tiefes Band der Freundschaft. Kulturclash light sozusagen, verpackt in einer durchschaubaren und seichten Handlung. Dass Coixets „Learning to Drive“ am Ende aber doch auf fast allen Ebenen aufgehen mag und für einen mehr als vergnüglichen und überraschend sympathischen Abend vollkommen geeignet ist, bleibt am Ende ein Verdienst der hervorragenden Darsteller sowie der besonnenen, nicht übermäßig pathetischen Inszenierung.
Patricia Clarkson. Wer diesen Namen noch nicht kannte, der sollte ihn sich ab jetzt ganz prominent im Oberstüblein verankern. Bekannt durch eine wahrlich ausschweifende Filmographie (darunter die Serie „Six Feet Under“ sowie Filme à la „Dogville“, „Einfach zu haben“ oder ganz neu das „Maze-Runner“-Franchise), kann die gestandene Darstellerin in „Learning to Drive“ erneut mit ihrem Schauspiel begeistern. Und das obwohl ihre Rolle grundsätzlich gar nicht so viel hergibt. Es wird immer gesagt und verliert dennoch nie an Bedeutsamkeit: Einer der größten Grundpfeiler für eine gelungene Komödie ist der Spaß und die Leidenschaft, den die Darsteller in ihre Figuren heintragen. Clarkson geht hier aber noch einen Schritt weiter, sie vereinnahmt die Rolle der frisch verlassenen Schriftstellerin auf solch charmante und natürliche Art, dass sie alles aus ihrer Figur herausholt, was geht und vermutlich sogar noch ein bisschen mehr. Gebt dieser Frau den Oscar für die charmanteste Figurendarstellung des Jahres. In all ihren Vorzügen und Fehlern, ihren Eigenheiten und ihrem Charme ist ihre Figur der Wendy so lebensnah und sympathisch, so menschlich und mitreißend, dass man ihre Geschichte, so durchschaubar sie auch sein mag, absolut gern begleitet, mit ihr leidet und auch die kleinen Erfolge mit ihr feiert. Und dies ist weniger ein Verdienst des netten Drehbuchs, sondern der einnehmenden Präsenz von Clarkson geschuldet. Bravo! Daneben steht ein ebenso starker Ben Kingsley ("Selfless"), dem man darstellerisch sowieso selten etwas vorwerfen kann, der sich hier allerdings noch einmal extra viel Mühe zu geben scheint, um gegen Clarkson zu bestehen. Ganz gelingen tut ihm das nicht, am Ende gibt Kingsleys Rolle dafür einfach zu wenig her. Großartig bleibt der Brite aber dennoch.
Doch noch ein weiterer, zentraler Aspekt, der vordergründig zum Gelingen dieser Tragikomödie beiträgt, zeichnet „Learning to Drive“ aus: Sympathische Natürlichkeit. Die klischeehafte und durchschaubare Geschichte wird hier angenehm leise und besonnen erzählt, artet demnach nur selten in überdramatisierte Momente aus und zieht den Zuschauer gelungen in seine Welt. Wirkte der Trailer noch kitschig und altbekannt, stoßen einem diese Aspekte, aufgrund des mitreißendes Charmes, so gut wie nie auf. In diesem Kontext muss man dann auch die Erzählung des Films loben, wirkt sie doch, trotz kurzer Laufzeit, nie gehetzt oder übermäßig forciert. Die Fahrstunden zwischen den Figuren stellen einen netten Rahmen für die Dialoge zwischen Wendy und Darwan dar und wirkten innerhalb der Story niemals aufgesetzt. Hier wird mit einer angenehmen Inszenierung und großem Darstellercharme also über viel Oberflächlichkeit hinweggetäuscht, sodass man dem Film seine Fehler zu Unterhaltungsgunsten gerne verzeihen mag.
Diese Fehler existieren dann aber doch. So sind die Geschichten der Figuren zwar alle angenehm und natürlich in Szene gesetzt, manche Plotpoints müssen innerhalb der Laufzeit aber etwas zu schnell und oberflächlich abgehandelt werden. So kommt der rechtliche Aspekt der Scheidung nie richtig zur Geltung, ebenso wirkt die Chemie zwischen Wendy und ihrem Ex Ted (Jake Weber) nicht wirklich nachvollziehbar und auch die Tochter (Grace Gummer) hält nur als Zweckmittel für die Ambitionen der Hauptfigur her. Ebenso wird hier jeder enttäuscht, der sich einen echten Kulturclash oder gar eine wichtige Aussage über Rassismus erhofft. „Learning to Drive“ deutet dies immer wieder an, formuliert es, zugunsten der seichteren Aspekte des Films, aber nie wirklich aus. So mag die Geschichte um Kingsley und seine arrangierte Hochzeit noch, trotz kurzer Laufzeit, überraschend gut funktionieren, wirkt auch sie im Endeffekt eher wie ein Nebensatz in einem Rahmen, der keinen richtigen Hauptsatz inne hat. „Learning to Drive“ kann sich einfach nie so richtig entscheiden, welchem Ploipint er in seinen 90 Minuten denn nun am meisten Aufmerkamkeit schenken will.
Typisches Wohlfühlkino also, mit dem Extrazusatz Darstellercharme, über dessen Narrative man (wie zum Beispiel beim letztjährigen „Magic in the Moonlight“ von Woody Allen) nicht zu sehr nachdenken, sondern von dessen guter Atmosphäre man sich einfach verzaubern lassen solle. Das hat der Film anderen Feel-Goods dann auch absolut voraus.