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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

„Mimi … hättest du gerne eine Oma? Sie könnte uns in den Schlaf wiegen, uns vorlesen, uns Kuchen backen …“ · „Und ein Micky-Maus-Kostüm nähen?“

Montreal 1970. Während die linksradikale-nationalistische „Front für die Befreiung Quebecs“ die Provinz in den Ausnahmezustand versetzt, muss die zwölfjährige Manon tatenlos zusehen, wie ihre Familie auseinanderfällt. Der Vater ist krank und die überforderte Mutter gezwungen, ihre beiden Kinder in getrennte Pflegefamilien zu geben. Doch Manon hat sich geschworen, ihren kleinen Bruder Mimi niemals allein zu lassen, und fasst einen tollkühnen Plan: Sie gründet eine revolutionäre Zelle und entführt gemeinsam mit ihren Cousins eine ahnungslose Oma. Sie fordern selbstgebackenen Kuchen, Gutenachtgeschichten und vor allem, dass man sie so leben lässt, wie sie es wollen. In einer abgelegenen Hütte verbringen sie Tage in paradiesischer Freiheit fernab von der Ignoranz der Erwachsenen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die Konstruktion einer Ersatzfamilie durch Kinder, die sich oder anderen dadurch Erfahrungen von Verlust und Verlassenheit ersparen wollen, ist ein konstantes Thema bei Berlinale Generation. Dort setzt Luc Picard (Esimésac) mit seinem tragikomischen Coming-of-Age-Drama ein kleines Glanzlicht, das sich neben den jungen Darstellern durch seine soziale und zeitgeschichtliche Authentizität auszeichnet. Die Oktoberkrise erscheint als pointierte politische Allegorie der privaten Krise, der die 12-jährige Manon (Milya Cirbeil-Gauvreau, Nelly) sich stellen muss. Die Krebserkrankung ihres Vaters (Martin Desgagne, Le Torrent) bringt ihre Mutter (Julie Ménard, The Collector) an den Rand des nervlichen und finanziellen Zusammenbruchs. Manon und ihr kleiner Bruder Mimi (Anthony Bouchard) kommen zu ihrer Tante (Maude Laurendeau, Babine), bis Sozialarbeiter die beiden aus ihrem Zuhause und von einander trennt.

Die Verhängung des Ausnahmezustands kommt zeitgleich zur Erosion des familiären Rückhalts, der Manon stückweise genommen wird. Der Einzug von Panzern in Montreal wird zur Metapher für den Einbruch der Realität in das fragile Idyll der Anfangsszenen. Auf dem Röhrenfernseher erleben die entschlossene Protagonistin und ihr jugendlicher Cousin Martin (Henri Richer-Picard, L'Audition)  eine nationalistische Machtdemonstration, die lokalen Separatismus unterdrücken will. Gleichzeitig zerbricht der Staat durch mangelnde Fürsorge und institutionelle Bevormundung eine Familie. Einzig deren jüngste Mitglieder rebellieren gegen ein System, das brutal reglementiert, aber sich einen Dreck um sie schert. Am Schicksal ihres Vaters, Martins erwachsenen Bruders und schließlich ihrem eigenen sieht Manon unmissverständlich, dass die Armen für die Gesellschaft keinen Wert haben.

Im Kontrast zu dieser Ehrlichkeit steht die entrückte Utopie, die sich Manon und Martin mit ihren kleinen Geschwistern schaffen. Nicole Bèlangers Adaption ihrer Buchvorlage ignoriert diverse Hindernisse, die dem reibungslosen Kidnapping der Oma (Clare Coulter, An ihrer Seite) im Wege stünden. Dass weder Eltern, noch Polizei und Armee die Gruppe enttarnen, scheint ähnlich unwahrscheinlich wie die Kooperation der alten Dame. Mehr Stockholm Syndrom geht nicht. Zudem sollten Manon und Martin wissen, dass ihr improvisiertes Heim den kanadischen Winter mit locker -20 °C nicht standhält. Zum Glück währt jenes Versteckspiel vor der Wirklichkeit auf inszenatorischer und dramatischer Ebene nicht lange. Die Autarkie, die sich die trotzigen Helden erkämpft haben, ist kostbarer als jede sentimentale Illusion.

Fazit

Das mitreißende Familiendrama punktet mit einer talentierten Darstellerriege und einer bewegenden Story, die ohne Moralpredigten und verlogenes Happy End auskommt. Drehbuchautorin Nicole Bélanger und Regisseur Luc Picard wissen und respektieren, dass weltpolitisches Geschehen und gesellschaftliche Probleme für die kleinen ZuschauerInnen Teil des Lebensalltags sind und somit einen Platz in Kinderfilmen verdienen. Mit wie viel Humor und Leichtigkeit sich das umsetzen lässt, zeigt ihre bei aller Tragik hoffnungsvolle Geschichte.

Kritik: Lida Bach

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