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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Eine junge Frau namens Ainara steht bei der Erkundung ihrer Karrieremöglichkeiten vor einem persönlichen Scheideweg, sehr zur Sorge ihrer Familie

Kritik

Dass Alauda Ruiz de Azúas (Du bist esfundamentalistisches Familiendrama in San Sebastián den Hauptpreis des Wettbewerbs davontrug, und von der klerikal-konservativen Kritik einhellig umjubelt wird, bestätigt beunruhigend die wachsende Akzeptanz der darin bedienten neo-autoritären Narrative. Jene predigen (im wortwörtlichen Sinn) ein manipulatives Mantra, das in rechtsradikalen Kreisen ähnlich populär ist wie in fanatisch-religiösen Gemeinden. Es ist die abstruse Mär umgekehrter Diskriminierung: Tatsächlich würden die Liberalen die Konservative unterdrücken, die Atheisten würden die Katholiken in ihrer Überzeugung verurteilen und einschränken, und sexuell unbefangene Menschen würden die Zölibatären bedrängen. 

Ebenso bemerkenswert wie die gegenwartspolitische und historische Widersinnigkeit dieses Narratives ist dessen Verbreitung und Verfestigung. Die wortwörtlich scheinheilige Selbstfindungsstory ist zugleich Symptom und Katalysator dieser defensiven Dialektik. Selbige webt das selbstverfasste Drehbuch der spanischen Regisseurin geschickt in eine Familien-Dramedy, deren Maske der argumentativen Balance erst im Schlussakt fällt. Doch schon bevor sich die klerikale Coming-of-Age-Story endgültig als proselytisches Pamphlet offenbart, stellt er dezent dafür die Weichen. Das beginnt beim Handlungsfokus und der Charakterisierung der jungen Protagonistin (überzeugend: Blanca Soroa). Ainara befindet sich in der Eröffnungsszene im Nonnenkloster. 

Dort ist sie mit anderen Mädchen nur für einen Ferienaufenthalt, dessen Ende sie sichtlich traurig stimmt. Doch der ruhigen 17-Jährigen aus einer bildungsbürgerlichen Großfamilie fehlen nicht ihre gleichaltrigen Gefährtinnen oder ihr Crush aus dem Kirchenchor. Ainara fehlt Jesus. Von ihrer Liebe zu ihm schwärmt sie mit extatischer Euphorie erst im zweiten Akt des seinen pietistischen Pathos sukzessive steigernden Plots, der sich trotz akzeptabler zwei Stunden Laufzeit erschöpfend lang anfühlt. Zuvor bittet sie ihren Vater Iñaki (Miguel Garcés, Der Milliardärsbunker) direkt nach ihrer Rückkehr um einen weiteren Klosteraufenthalt. 

Als solchen wünscht sich Ainara ihr gesamtes Leben. Das, so verkündet sie ihrer wenig religiösen Familie, will sie als Ordensschwester Gott widmen. Besonders Iñakis Schwester Maite (eine exzellente Patricia López Arnaiz, Nina) ist tief besorgt über den Wunsch ihrer Nichte, die sich weder von rationalen Argumenten, noch emotionalen Appellen oder persönlichen Aspekten überzeugen lässt. Je näher Ainaras anvisierter Eintritt ins Kloster rückt, desto stärker spaltet ein Glaubenskonflikt ihre Verwandtschaft. Während ihr Bruder Ainara unterstützt, versucht Maite, die selbst in einer Eherise mit ihrem Gatten Pablo (Juan Minujín, In seinen Händensteckt, sie zu bekehren. 

Maite wird zur Personifikation und Projektionsfläche eines vorgeblich apodiktischen Atheismus und aufklärerischen Absolutismus. Herzlich, bescheiden und gebildet, wird Ainara zur Idealfigur, die - so zeigt es jedenfalls de Azúa - nur nach ihrer Façon selig werden will. Maite wiederum wird zum Negativklischee egoistischer, invasiver Intoleranz. Jene begründet die unilaterale Handlung mit Beziehungsfrust, Eifersucht, heimlichem Neid und Gier. An dieser polarisierten Charakterisierung zeigt sich besonders markant, dass die inszenatorische Position alles andere als ausgewogen ist. Atheismus wird mit einem ganzen Arsenal negativer Eigenschaften verknüpft und hergeleitet. 

Dahingegen erscheint Christlichkeit als selbstevident. Ainaras Glaube wird als wahrhaftige Epiphanie dargestellt. Ihre Liebe zu Jesus und das Klosterleben machten sie unendlich glücklich, schwärmt die fromme Hauptfigur. Die nahliegende Vermutung, dass sie indoktriniert und manipuliert wurde, wird als voreingenommene Paranoia hingestellt. Exemplarisch für diese Verzerrung ist ein Gag über Kindesmissbrauch durch Priester. Dass Maite sich diesbezüglich um ihren kleinen Sohn sorgt, erscheint als lächerlich und vorurteilsbehaftet. Das Nonnenkloster und sämtliche Kirchenvertretenden zeigt de Azúa buchstäblich in strahlendem Licht: Voller Liebe, Verständnis und Toleranz, getaucht in eine warm-glänzende Aura. 

Visuelle und dramatische Verklärung christlicher Institutionen ergänzen einander in der induktiven Inszenierung. Deren anfangs noch strategisch zurückgehaltener religiöser Obskurantismus ist schließlich so offensichtlich, dass es nicht weiter überraschen würde, wenn der Gott persönlich herumspazierte, um der neuen Braut Christi den Heiligenschein aufzusetzen. Ainara widersteht fleischlicher Versuchung in Gestalt eines Jungen aus ihrer Gemeinde und den verlockenden Versprechungen ihrer Tante, die sie in aberwitziger Umkehrung pädagogischer Praktiken Parties, Rausch und sexuelle Eskapaden einreden will. Der unglücklichen Ungläubigen bleibt nur Bitterkeit und reumütige Rückkehr zur konservativen Kernfamilie. Amen. 

Fazit

Was an Alauda Ruiz de Azúas eklektischem Erweckungsstory überrascht, ist nicht dessen aggressiv anti-aufklärerische Botschaft, moralistische Heuchelei und vernunftfeindliche Verblendung. Es ist der Umstand, dass hier nicht Angel Studios produziert haben. Die reaktionäre Romanze mit Jesus Christus wäre eine echte Bereicherung für das Repertoire des US-amerikanischen Produktionsstudios und Verleihs sogenannterfaith based Filme. Ein solcher ist offensichtlich die verkappte Religionsreklame. Deren hervorragende Darstellerinnen und handwerklich solide Form stehen in bizarrem Kontrast zu den zwischen grotesk, geschmacklos und gefährlich changierenden Konstrukten. Ein bedrückendes Barometer neo-klerikaler Trugschlüsse.

Kritik: Lida Bach

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