Phil Tippett ist im Bereich der visuellen Effekte ein echter Pionier. So arbeitete er unter anderem an der originalen Star Wars-Trilogie, an Jurassic Park, Robocop oder auch Starship Troopers, erhielt in seiner Karriere sechs Oscar-Nominierungen und nahm die Trophäe zweimal mit nach Hause. Schon früh hatte er den Traum, auch einen eigenen Film zu entwickeln und begann seine Arbeit am ambitionierten Mad God bereits 1987. Als Verfechter praktischer Effekte ließ er nach seiner Beteiligung an Jurassic Park jedoch davon ab, da Stop-Motion von da an wie ein Relikt aus alten Zeiten erschien und in Hollywood keinen Platz mehr fand. Auf Drängen mehrerer davon überzeugter Personen seines Umfelds wurde das Projekt später aber wiederbelebt und mittels einer erfolgreichen Kickstarter-Kampagne zusätzlich unterstützt. Nach seiner über 30-jährigen Entwicklungszeit ist der Film nun tatsächlich doch noch fertig geworden. Und etwas Vergleichbares hat man sicherlich noch nicht gesehen.
Stop-Motion-Filme haben es nicht einfach: Nicht nur ist der Entstehungsprozess mit unglaublichem Aufwand verbunden, auch sind sie in der Regel keine großen Publikumsmagneten, wie die eindrucksvollen Arbeiten der Laika Studios beispielsweise gezeigt haben (Kubo and the Two Strings, Coraline). Mad God versucht sein Glück trotzdem als solcher, was zeigt, dass die Liebe zur Kunst hier höher war als die Aussicht auf Profit. Und auch inhaltlich und gestalterisch geht der Film einen sehr eigenwilligen Weg, der stark vom gängigen Mainstream abweicht. Tippett zieht voll und ganz sein Ding durch und das ist gut so, denn nur so konnte daraus das Werk werden, das nun für sich steht. Ob man Mad God nun mag oder nicht: Einig sein wird sich bestimmt jeder in dem Punkt, dass der Film aus technischer Sicht ein echtes Meisterwerk ist.
In Mad God geht es in eine abscheuliche Unterwelt, die der Hölle wohl in nichts nachsteht. Eine apokalyptische Endzeitlandschaft voller grotesker Monstrositäten und bizarrer Ereignisse. Hier wandeln seelenlose Geschöpfe umher, die sich gegenseitig verstümmeln und von Maschinen ausgequetscht werden, hier wird gefoltert und gequält und hier fließen Scheiße und sonstige Körperflüssigkeiten in Strömen umher. Ein ekelerregender Ort, der die Manifestation eines ganz absonderlichen Albtraums ist. Der Film richtet sich mit seinem hohen Gewaltgrad, den kranken Bildern und gelegentlich auch sexuellen Andeutungen klar an ein älteres Publikum und geht damit einen ähnlichen Weg wie die Netflix-Animationsserie Love, Death & Robots. Doch Mad God ist nicht einfach darauf aus, seine Zuschauer zu verstören, sondern weiß trotz all seiner Schrecken durchgängig zu faszinieren. Selbst in diesem verlorenen Drecksloch glimmt irgendwo ein Funken Hoffnung auf, trotz all seiner abstoßenden Hässlichkeiten hat diese Welt auch etwas zutiefst Schönes an sich, was diese abenteuerliche Reise zu einem aufregenden Erlebnis macht, an dem man sich nicht sattsehen kann.
Dabei wird sich manch Zuschauer womöglich daran stören, dass der Inhalt nur schwer zu greifen ist und viel zu kryptisch gehalten wird. Auch auf Dialoge verzichtet der Film komplett. Zwar stecken in Mad God zahlreiche Metaphern und Verweise, die eine Ahnung davon geben, worauf der Film hinaus möchte, was, wie der Name schon verrät, sogar göttliche Ausmaße nimmt, doch bleibt es erzählerisch letztendlich recht dünn. Es handelt sich also um keinen Film, der auf klassische Art mit einer mitreißenden Geschichte im Gedächtnis bleiben wird, sondern um einen, der vorrangig durch seine Bilder ein Erlebnis schaffen und Gefühle erzeugen will. Und für jeden, für den das funktioniert, wird sich die wundersame Odyssee lohnen. Lässt einen all das hingegen kalt, werden sich die rund 80 Minuten Laufzeit womöglich sehr lang anfühlen.
Größtenteils setzt Mad God auf Stop-Motion, baut allerdings auch einige wenige Live-Action-Sequenzen mit ein. Diese werden zwar so eingewoben, dass sie optisch dem Rest gewissermaßen ensprechen, dennoch fallen diese Momente weniger schön als der Rest des Films aus. Kostümierte Menschen sind nunmal nicht so reizvoll wie aufwendig modellierte Miniatur-Monster. Ein gewisser Stilbruch ist dann also doch zu spüren. Hätte nicht sein müssen und wäre ohne wohl besser gewesen, lässt sich aber verkraften.