Inhalt
"Maestro" ist eine gewaltige und furchtlose Liebesgeschichte, die die lebenslange Beziehung zwischen der Kulturikone Leonard Bernstein und Felicia Montealegre Cohn Bernstein aufzeichnet. "Maestro" ist ein Liebesbrief an das Leben und die Kunst und im Kern eine emotionale, epische Darstellung von Familie und Liebe.
Kritik
Falls verheiratet sein ein Talent ist, dann keines, worüber es einen Kinofilm bräuchte. Erst recht nicht bei jemandem mit der Begabung eines Leonard Bernstein. Dessen musisches Genie ist dennoch lediglich ein Vorwand für Bradley Cooper, seine zweite Regiearbeit um Bernsteins Privat-Problemchen anzuordnen. Die längst klassischen Kompositionen sind nicht Thema, sondern lediglich Material für den Soundtrack. Und ja, der nervige REM Song, der den Protagonisten neben anderen Leonards (Brezhnev und Bruce) erwähnt, wird auch angespielt.
Ähnlich vorhersehbar und vorsichtig ist der von Cooper (A Star is Born) mit Josh Singer (Besschütze sie) verfasste filmische Lebenslauf. Der fasst die konventionellsten Kapitel der kreativen Karriere in Hochglanzbilder, deren sukzessiver Wechsel von den Zeitebenen verbundenen Filmformaten die uninspirierte Optik kaum interessanter macht. Auf paradoxe Weise passt der inszenatorische Formalismus zur schenatischen Dramaturgie, die ausgerechnet die interessantesten Aspekte und Erlebnisse des Protagonisten übergeht. So beginnt die gemächliche Story mit dem legendären Anruf, der Bernsteins Dirigenten-Debüt an der New Yorker Philharmonie initiierte.
Mit dem professionellen Triumph kommt die große Liebe, als die Bernsteins einzige relevante straighte Partner*in Felicia Montealegre Cohn (fehlbesetzt: Carey Mulligan, Saltburn) dargestellt wird. Erfolg ist eben erst komplett, wenn es das traditionelle Familienbild ist, obwohl Homophobie genau wie Antisemitismus und Rassismus geflissentlich ausgeblendet werden. Die klischeehaft dekadenten Männeraffären des bisexuellen Komponisten bedrohen dennoch die heile Hetero-Welt. Deren Trivialitäten sind eigentlicher Fokus des belanglosen Biopics, das in jeder Hinsicht mit Genie wenig zu tun hat
Fazit
Dirigent, Komponist, Pianist, Musical-Autor und Lehrender: Leonard Bernstein war einer der vielseitigsten und umtriebigsten Musikschaffenden, der als erster US-Komponist zu internationalem Ruhm gelangte. Doch sein umfangreiches Werk ist im doppelten Sinne nur ein dekoratives Hintergrundelement in Bradley Coopers oberflächlicher Romanze. Dass die Bernsteins Inspiration, Arbeitsweise, künstlerische Entwicklung und Schaffenskrisen gleich störenden Ballasts abwirft, lässt den Titel wie unfreiwillige Ironie erscheinen - oder eine Selbstreferenz Coopers, der seine eigene Starpersona vor den selbstverkörperten Hauptcharakter stellt.
Autor: Lida Bach