6.6

MB-Kritik

Priscilla 2023

Drama, Biography, Music

6.6

Cailee Spaeny
Jacob Elordi
Ari Cohen
Dagmara Dominczyk
Tim Post
Lynne Griffin
Dan Beirne
Rodrigo Fernandez-Stoll
Dan Abramovici
Matthew Shaw
Tim Dowler-Coltman
R Austin Ball
Olivia Barrett
Stephanie Moore
Luke Humphrey
Deanna Jarvis

Inhalt

Als die 14-jährige Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny) auf einer Party Elvis Presley begegnet, ist sie seinem Charme schnell verfallen. Als der Rockstar Monatelang nichts von sich hören lässt, glaubt sie, die Beziehung sei zu Ende. Doch dann holt Elvis sie überraschend nach Graceland. Was wie ein Traum beginnt, enthüllt jedoch seine düsteren Seiten.

Kritik

Was Sofia Coppolas (On the Rocks) bestechendes Porträt im Kontext seiner Wettbewerbspremiere in Venedig umso subversiver macht, ist dessen in zarten Pastells und puppenhafte Pinktöne verborgene Studie von Grooming. Schon die erste Szene, in der die 14-jährige Titelfigur (Cailee Spaeny, The First Lady) vielleicht gerade wegen ihres kindlichen Äußeren von einem Bekannten des bereits als Rockstar gefeierten Elvis Presleys (Jacob Elordi, The Sweet East) zu einer Party eingeladen wird, evoziert das beklemmend die Vorauslese verwundbarer Beuteobjekte, die berühmte Täter sich von Vertrauten zuführen lassen. 

Wenn der zehn Jahre ältere Elvis wenig später Priscilla im Wissen um ihr Alter auffordert, ihn auf einem der Zimmer zu erwarten, ist dieses Vorgehen offenkundig ein eingespieltes Muster, das meist nicht mit einem zaghaften Kuss endet. Dass der als Teenie-Phantasie zwischen Pop Prince Charming und Bad Boy inszenierte Sänger es zu Beginn dabei belässt, macht das Machtgefälle nicht weniger missbräuchlich. Für den King bleibt das Mädchen ein Spielzeug, das er nach seinen Vorstellungen formt. 

Elvis diktiert Priscillas Garderobe, ihr Make-up, ihren Aufenthaltsort, ihr Verhalten und mittels Pillen ihren Schlaf- und Wachrhythmus. Wenn er ihre Gegenwart wünscht, lässt er sie herfliegen, ist er ihrer überdrüssig, verpackt er sie in einem seiner Häuser wie in einer Schachtel. Je länger der wahr gewordene Wunschtraum währt, desto mehr offenbart sich das schwärmerische Szenario als Manifestation toxischer Triebe und psychologischer Pervertierung. Eine auf Persönlichkeitskult, Sexismus und Elitarismus aufgebaute Allmacht, die in Venedig allgegenwärtig scheint.

Fazit

Unter der verzuckerten Oberfläche Sofia Coppolas bittersüßen Biopics gärt eine abgründige Analyse emotionaler, psychischer und physischer Ausbeutung, einfühlsam gespielt und sensibel inszeniert. Watteweichgezeichnete Wunschbilder projizieren die naive Perspektive der minderjährigen Protagonistin, deren romantische Verklärung ihres prominenten Partners die gesellschaftliche und mediale Normalisierung und Idealisierung missbräuchlicher Konstellationen aufgreift. Auf einem Festival, das Täter hofiert und rehabilitiert, gewinnt die doppelbödige Dekonstruktion manipulativer Machtgefälle und arrangierter Abhängigkeitsverhältnisse sicher keinen Preis, dafür aber umso mehr politische und gesellschaftliche Relevanz.

Autor: Lida Bach
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