Fünf Frauen betreiben ein altes Hotel und versuchen, es vor dem Verfall zu retten. Ein scheinbar unlösbarer Konflikt mit langer Vorgeschichte lastet auf ihnen: Sie sind Mütter, die nicht fähig sind, ihre Töchter zu lieben, die wiederum nicht fähig sind, Mütter zu sein. Als die junge Salomé in dem Hotel auftaucht, reißen alte Wunden wieder auf. Zwischen Verbitterung und Versöhnungsbereitschaft trifft Salomés Mutter, Piedade, eine folgenreiche Entscheidung.
Kritik
Die Synopsis vergleicht João Canijos (Lisbon Story) maliziöses Mutter-Tochter-Drama mit einem Strindberg-Stück. Passender wäre Sartre. Den entlegenen Schauplatz der hermetischen Handlung, deren formellen Realismus surreale Andeutungen unterwandern, bezeichnet der portugiesische Regisseur selbst als Gefängnis. Aus diesem können Piedade (Anabela Moreira, Irrlicht), ihre Mutter Sara (Rita Blanco, Carga) und die erwachsene Enkelin Salomé (Madalena Almeida, Viver Mal) so wenig entkommen wie dem Käfig ihrer Hass-Liebe. Eine seltsame Mischung aus Abscheu und Abhängigkeit fesselt das Frauen-Trio aneinander und an den Ort ihrer Tragödie.
Jene entfaltet sich Drehbuchseite für Drehbuchseite mit einer in vielerlei Hinsicht quälenden Ausführlichkeit und Akkuratesse in dem Art-Nouveau-Hotel, dessen marode Eleganz so morbide und monströs erscheint wie das Verhältnis der Protagonistinnen. Sie taxieren einander mit Blicken, deren eisige Kälte die dumpfe Sommerhitze gefriert, reden demonstrativ aneinander vorbei und übertreffen sich mit gehässigem Spott. Jede Wunde, die der anderen zugefügt wird, ist auch eine Selbstverletzung. Dass ihre gegenseitige Verachtung nicht absolut ist, macht sie umso grausamer.
Dass die Hotel-Hölle womöglich eine religiöse Allegorie ist, in der abgestorbene Seelen statt in Flammenseen im Swimmingpool baden, implizieren surreale Elemente wie das allegorische Erstarren der Schauspielenden. Jene sorgfältig komponierten Einstellungen gleichen latent unheimlichen Gemälden, den den stagnierenden Plot jedoch nicht erträglicher machen. Kurioserweise scheint der Regisseur genauso in seinem Szenario gefangen wie die Figuren. Die strenge Kamera hält die ereignisarmen Einstellungen bis an die Grenze der Erträglichkeit - und für nicht wenige Zuschauende darüber hinaus.
Fazit
Drei intensive Hauptdarstellerinnen tragen João Canijos filmischen Diptychs, das ähnlich bizarr anmutet wie seine Festival-Aufführung. Eine Hälfte des insgesamt über vierstündigen Mammut-Werks läuft im Wettbewerb (diese hier), die andere bei Encounters. Der Hass, der die klaustrophobische Kulisse durchdringt, ist nicht nur der dreier sich zerfleischender Frauenfiguren, sondern des Regisseurs. Seine sadistische Sektion pathologischer Mutterschaft sagt weniger über Familienstrukturen als seine internalisierte Misogynie, die schauspielerisch sublimiert und in atmosphärische Kamerabilder gegossen, ein toxisches Frauenbild verstärkt.
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