Maybe, Baby!leidet an vielerlei Dingen: Zum einen am geringen Budget, an teils etwas langatmiger Dramaturgie und zu dünner Exposition. So widmet sich der Film nur knapp der Situation, die zu dem eigentlichen Konflikt führt. Diese Baustellen fallen jedoch nicht allzu sehr ins Gewicht, weil sich hinter diesem Film eine sehr interessante Beobachtung findet: Generation Maybe (in den 80ern bis 90ern geboren) stellt eine durch digitalen Überfluss, durch verschiedene Handlungsoptionen, in der Selbstfindung bzw. im Entscheidungswillen gestörte Generation dar. Das "Maybe "- das stetige "Vielleicht - steht hier im Fokus der Betrachtungen. Protagonistin Marie (Julia Becker) weiß einfach nicht wohin in ihrem Leben: Sie betrügt ihren Mann und wird auch betrogen, entflieht dem Konflikt und der Wunsch nach einem Baby steht auch im Raum, doch wird nicht angegangen.
Der Film macht nun etwas Drastisches: Er nimmt Marie (Julia Becker, Die Hannas) den Fluchtplan. In der Hütte gefangen, kann sie nicht mehr vor den elementaren Fragen ihres Lebens fliehen und muss sich mit ihnen konfrontiert sehen. In einer Zeit, in der Autoritäten nicht mehr angesehen sind, schafft der Film eine Art Autorität, die sich aus dem Zufall ergibt: Entscheide Dich! Soweit so gut und Marie trifft auch eine Entscheidung, die authentisch und einfühlsam eingefangen wird, aber in zweierlei Arten unbefriedigend wirkt: Zum einen wird die Sehgewohnheit des Zuschauers nicht befriedigt, was erstmal etwas Gutes ist. Innovation basiert schließlich auf dem Kennen des Gewohnten und dem bewussten Brechen dessen. Das Potential für eine intelligente Entscheidung gegen Generation Maybe wäre gelegt.
"Es ist wie mit einem Mops, wenn du den kaufst und mit ihm joggst, wird er auch nicht dünner", sagt Marie an einer Stelle . Schauen wir uns diese Metapher genauer an, erkennen wir wie problematisch diese erscheint. Marie spricht hier von der Unabänderlichkeit von Menschen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Es hat in diesem Sinne keinen Zweck an etwas zu arbeiten, da es letztlich sowieso unabänderlich erscheint. Die Entscheidungskraft, die der Film eigentlich stark machen möchte, verliert dadurch an Relevanz. In einer Welt, in der Menschen immer gleich bleiben und die sich daraus ergebenden Beziehungen demzufolge determiniert sind, hat eine Entscheidung keinen Wert. Aus dem Gedankengang "So bin ich eben und so bist Du eben" erwächst die Verweigerung von Verantwortung.
Maybe, Baby! löst dadurch den Begriff der Schuld komplett auf. Es gibt keine Verantwortung, es gibt kein moralisches Verfehlen, es gibt nur Menschen wie sie eben sind und entweder passen sie zusammen oder eben nicht. Die Entscheidungen, die dem Film zugrunde liegen, sind keine nach der Bereitschaft an etwas zu arbeiten, sondern nach der Vorbestimmtheit der Dinge. Auch wenn der Film in seiner Dramaturgie jeglichem Kitsch entsagt, erwächst - wenn man es konsequent durchdenkt - aus diesem Konstrukt eine der kitschigsten Lügen unserer Gesellschaft: Es gibt den Einen und es gibt die Eine. Schließlich muss es - wenn Menschen immer so sind wie sie eben sind - auch ein passendes Gegenstück geben, einen Menschen der in seiner Beschaffenheit so konstituiert ist, dass er zur eigenen Beschaffenheit passt. Solange man das nicht gefunden hat, sucht man eben weiter. Die eigene Entscheidung ist von geringer Relevanz.
Generation Maybe ergibt sich aus einer Überflutung an attraktiven Möglichkeiten. Wir leben in einem Land mit ausgeprägtem Wohlstand, weshalb wir den Luxus haben, uns zwischen Pizza und Pasta, zwischen klassischen Stil und Streetwear, zwischen Kino und Club und zwischen dem süßen Jungen von Tinder, dem vernünftigen Arbeitskollegen und dem geheimnisvollen Nachbarn zu entscheiden. Interessant ist, dass Leidenschaft keine Rolle mehr zu spielen scheint. Die Liebe erwächst nicht mehr aus einer ständigen Anziehungskraft, sondern aus einer durchkalkulierten Frage: Passt es? Wir sind wie jemand vom Dorf, der das erste Mal in einer Großstadt ist, und ungläubig in die Schaufenster blickt, wobei er die ungemeine Vielfalt nicht mehr verarbeiten kann.
Vielleicht ist das einzige Problem des Filmes sein Streben nach Authentizität, denn so verpasst er die angesteuerte Ausfahrt aus der Generation Maybe. Konsequent wäre es gewesen, die thematisierten Entscheidungen als eigenständig verantwortliche zu charakterisieren. Stattdessen sind die Entscheidungen nur Füllhalter für etwas, das sowieso schon feststeht. Sie erscheinen obsulet, weswegen der Film das angesprochene Phänomen eher deskribiert als zu destruieren. Das wäre an sich auch kein Problem gewesen, wenn er die Destruktion nicht intentional angestrebt hätte. So bleibt ein leider eher durchschnittlicher Film mit viel Potential, so dass wir gespannt sein dürfen, was es von der ambitionierten Debütantin Julia Becker in Zukunft zu sehen gibt.