Maia lebt mit ihrer heranwachsenden Tochter Alex in Montreal. Am Weihnachtsabend trifft eine Kiste mit alten Schreibheften, Tonbändern und Fotos ein, die sie ihrer besten Freundin anvertraut hatte, bevor sie den Libanon verließ. Maia will diese Büchse der Pandora nicht öffnen, doch Alex kann nicht widerstehen: Als sie wegen eines Schneesturms zu Hause festsitzt, öffnet sie heimlich die Erinnerungskiste und erfährt so von der turbulenten Jugend ihrer Mutter in Beirut während des Bürgerkriegs.
Kritik
Nachdrücklicher als jede der wohlfeilen Erkenntnisse, mit denen Joana Hadjithomas (Je voix voir) und Khalil Joreige ihr retrospektives Potpourri aufplustern, ist dessen unbeabsichtigtes Fazit, dass selbst das bürgerkriegsüberschattete Beirut hoffnungsvoller wirkt als die Gegenwart. Es sind wohl weniger deren praktische Einschränkungen, welche die formal ambitionierte, dramaturgisch arme Filmkiste zur angestaubten Requisite degradieren, als die kreativen Beschränkungen des Künstler-Duos. Letztes konzentriert sich in dem zwischen jüngster Vergangenheit und dem Libanon der 80er pendelnden Plot ganz auf sein Lieblingsthema.
Selbiges sind wenig überraschend die Filmschaffenden selbst. Genauer: ihre jugendlichen (Alter) Egos, die dank eines Sammelsuriums an originalen Tonbandaufnahmen, Fotos und Memorabilien aus dem Fundus des Regie-Gespanns auferstehen. Wer meint, permanente Selbstdarstellung untermalt von sentimentaler Metaphorik sei Symptom moderner Social Media, wird von den amourösen Eskapaden der lebenslustigen Maia (Manal Issa, Nocturama) und ihres in einer Miliz kämpfenden Schwarms Raja (Hassan Akil) eines Besseren belehrt. Das sieht nicht nur aus wie eine Bravo Foto-Story.
Der emotionale Eindruck reicht selten über den einer beliebigen Jugendromanze hinaus. Der Bürgerkrieg wirkt im Hintergrund dieser Trivialität wie ein szenisches Konstrukt, das erst dann auf die Ereignisse im Vordergrund einwirkt, als es der Liebesgeschichte gelegen kommt. Der zeitlich abgegrenzte Blick Maias jugendlicher Tochter Alex (Paloma Vauthier), durch deren Initiative die verschwiegene Biografie der Mutter buchstäblich ans Licht tritt, bringt weder kritische Distanz noch reflexive Brechung. Psychologischer Ballast fehlt dem Flimmerkasten ebenso wie historische Gewichtigkeit.
Fazit
Einmal mehr konstruiert das vielseitig kreative Paar Joana Hadjithomas und Khalil Joreige aus Archivmaterial und Zeugnissen ihrer Lebenswege eine Passage in ein nur scheinbar wirklichkeitsnahes Gestern. Die semi-biografische Natur des Berlinale Wettbewerbsfilms manifestiert sich während dessen formalistischen Plots als kontraintuitiver Gegenentwurf zu einem semi-dokumentarischen Werk. Dieser unterschwellig omnipräsente Konflikt zwischen individueller Wahrnehmung und faktischer Realität ist einer vieler verschenkter Aspekte einer oberflächlichen Selbstpräsentation, die unwillentlich die Kurzsichtigkeit privilegierter Perspektiven in historischen Krisensituationen bezeugt.
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