Mosquito State zeigt in simpler Symbolik auf, wie das Individuum von Strukturen aufgefressen wird, von denen es einst zu profitieren glaubte: Richard Boca (Beau Knapp, Destroyer) arbeitet in der Datenanalyse der Wall-Street, entwickelt Algorithmen anhand seiner Faszination für fliegende Insekten. Sein größter Erfolg war ein auf dem Verhalten von Bienen beruhendes Modell, das ihm großen materiellen Reichtum erbrachte. Nach einem Traum möchte er ein neues entwickeln, das auf der Lebensform von Mücken beruht. Doch die Warnungen, die aus seinen Ideen erwachsen, werden ignoriert - er wird für verrückt erklärt. Scheinbar ist er es auch: wie besessen sucht er die Nähe der Mücken, lässt sie in sein Luxusapartment, lässt sich von ihnen bis zur Entstellung stechen, umsorgt sie dennoch fürsorglich. Seine Manie treibt die kühlen Bilder des Filmes ins Surrealistische.
Mosquito State spielt 2007, also ein Jahr vor der Weltwirtschaftskrise. Richards Vision ist demnach kein Hirngespenst, sondern Vorahnung einer ökonomischen Zäsur. Seine manische Art, die stets im Habitus des Bürokratischen steht, erinnert uns an Filme über Künstler, Autoren, Musiker. Hier kündigt sich jene Variation von Virtuosität an, die seit Jahren verkündet wird: Programmierer und Ingenieure sollen den kreativen Genius des 21. Jahrhunderts verkörpern. Die Insekten dienen ihm als mikroskopische Inspiration, das Verhalten einer Vielzahl von Individuen zu verstehen, tragen jedoch auch eine gesellschaftskritische Sinnrichtung bei: Mücken als „Blutsauger“, die vom Leben anderer zehren. Regisseur und Drehbuchautor Filip Jan Rymsza (Dustclouds) bringt durch diesen Spagat eine Parabel hervor, die neben einer Vielzahl von Motiven vor allem das der erlebten Entfremdung thematisiert.
In einer einschneidenden Begegnung, die der verschlossene Richard mit einer jungen Dame auf einer Party hat, wird dessen Entfremdungsgrad deutlich. Richard denkt, fühlt, lebt nicht mehr wie „man“ denkt, fühlt, lebt. Diese Distanz wird immer wieder deutlich. Früh bereits in seinen sozialen Interaktionen und seinem zurückgezogenen Leben im Apartment. Spät durch die Body-Horror-Elemente, die seinen einst menschlichen Körper verfremden. Die Bilder sind kühl gehalten: grau, weiß, schwarz - durchstochen von fadem Licht, das nicht dazu in der Lage ist, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Es mischen sich noch weite Gänge, lange Schatten, grelles Rotlicht auf der Palette, unter der Richard allmählich verkümmert.
Mosquito State ist gradlinig erzählt und bettet seine Thematik sauber ein: Details am Rande, wie eine Fernsehansprache von Barack Obama und eine TV-Sendung mit Donald Trump, kontextualisieren die Motive politisch. Einzelmomente kommunizieren die beklemmende, vereinsamte Stimmung überzeugend. Dennoch erscheint der Film im Ganzen zäh, da sein Hauptmotiv mit redundant mahnendem Anstrich vorgetragen wird und der gezeigte Verfall altbekannt erscheint.
Mosquito State bleibt so eine zahnlose Parabel, die vielversprechende Motive aufzählt: Weltwirtschaftskrise, Verfall des Individuums, neue Formen der Kreativität, eine rastlose wie ausgelaugte Gesellschaft. Letztlich trägt er diese kompetent vor, ohne sie ausreichend zu erschließen, geschweige denn ihnen erzählerisch etwas Neues abzugewinnen. So bleibt ein Werk, in dem man vieles an der Oberfläche finden kann, das zumindest Sprungbrett für Diskussionen, trotz Trägheit in sich schlüssig bleibt.