„Warum ist deine Freiheit wichtiger als meine?“
Mit nicht einmal 30 Jahren gab Karen Blixen ihre vermögende, aber weitestgehend gleichförmige Existenz in Dänemark auf, um zusammen mit ihrem Gatten, Baron Bror von Blixen-Finecke, eine Molkerei in Kenia zu betreiben, die von Karens wohlhabender Familie finanziert werden sollte. Dass aus der erwünschten Milchfarm letztlich eine Kaffeeplantage wurde, ist nur der Anfang einer durchaus fesselnden Lebensgeschichte, die immer wieder von unerwarteten Wendungen und Schicksalsschlägen heimgesucht wurde. Sydney Pollack (Die drei Tage des Condor) hat sich der Vita der Karen Blixen in seinem mit sieben Oscars prämierten Jenseits von Afrika angenommen und als Grundlage dafür nicht nur Blixens autobiografischen Roman Afrika, dunkle lockende Welt herangezogenen, sondern vielmehr die von Judith Thurman verfasste Biografie Tania Blixen. Ihr Leben und Werk als dramaturgischen Rahmen um das Geschehen gespannt.
Das rigorose Potenzial der Geschichte liegt auf der Hand, dokumentiert Jenseits von Afrika doch nicht nur den Traum einer Aussteigerin, ebenso behandelt der Stoff die politische, kulturelle und wirtschaftliche Situation im von der britischen Krone und dem deutschen Reich aufgeteilten Afrika – Kolonialismus ist hier das Stichwort – und entfaltet sich weitergehend als intimes Seelendrama einer Frau, die ihren Wünschen und Sehnsüchten letztlich erliegen musste. Das aber ist nur die Theorie und in der finalen Umsetzung von Sydney Pollack höchsten in den Ansätzen, selten darüber hinaus, erkennbar. Stattdessen möchte man Jenseits von Afrika als obligatorischen und berechnenden (Oscar-)Crowdpleaser bezeichnen, der sich seiner Achtung als auf wahren Begebenheiten basierendes Leinwandepos fortwährend sicher ist und mit einer Ausstattungsmanie aufwartet, die bei der Academy ohnehin immer wieder Bewunderung findet.
Pollack ging bei seiner originalgetreuen Rekonstruktion der Schauplätze, primär der Plantage, die heute als Karen Blixen Museum Besucher aus aller Welt anlockt, sogar so weit, das authentische Dekor einfliegen und in den Sets akkurat anbringen zu lassen. Hauptaugenmerk der Narration liegt jedoch freilich auf dem Befinden der Karen Blixen (Meryl Streep, Florence Foster Jenkins) und ihrer Sicht auf die auf die hiesigen Gegebenheiten. Nicht nur trägt sie einige Blessuren aus der Zweckgemeinschaft mit ihrem Mann Bror von Blixen-Finecke (Klaus Maria Brandauer, Mephisto) trägt, der zuvorderst seine Untreue und Teilnahmslosigkeit zum Ausdruck bringt. Auch ihre Beziehung zum verwegenen Idealisten Denys George Finch Hatton (Robert Redford, Picknick mit Bären) offenbart sich als Wechselbad der Gefühle und fällt von den höchsten Höhen sukzessive in die tiefsten Tiefen.
Die schöpferische Sprengkraft, mit der sich Sydney Pollack diesem vielfältigen Sujet hätte annehmen sollen, bleibt allerdings auf der Strecke, weil der eigentlich hochbegabte Regisseur keinerlei Gespür für Kontextualisierungen aufweist. Dem von kolonialer Ausbeutung tief erschütterten Kontinent begegnet er anhaltend auf Distanz und kratzt höchstens an der Oberfläche des von Sorgen gebeutelten Gemüts der Ureinwohner. Die seelischen Nöte der Hauptdarstellerin, die der Erfüllung in der Liebe zu Denys nacheifert, genau dadurch aber an der Verwirklichung einer ewigwährenden Leidenschaft scheitert, bleiben Behauptung, weil es Jenseits von Afrika aufgrund seiner sprunghaften Narration tunlichst vermeidet, den Figuren eine grundierte Eigendynamik zu verleihen: Die emotionale Fallhöhe bleibt im Verborgenen, denn dem Band, welches der Regisseur zwischen Film und Zuschauer knüpfen sollte, fehlt über die 160-minütige Laufzeit jede unvermittelte Dringlichkeit.
Obgleich Jenseits von Afrika eine weichgespülte Angelegenheit sein mag, die sich viel zu sehr als schwelgerische Schmonzette gefällt, als dass sich der Film ernsthaft auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit seinen inhaltlichen respektive historischen Brennpunkten konzentriert, gelingt es Sydney Pollack durch die Formschönheit seiner vierzehnten Regiearbeit zuweilen durchaus, so etwas wie eine betörende Strahlkraft zu entfesseln, die den Zuschauer zum ausgeprägten, bedächtigen Genuss des Gezeigten verführt. Im Angesicht der erhabenen Fotografien der unberührten afrikanischen Naturpanoramen darf man sich durchaus fallenlassen. Und auch die hochkarätige Schauspielriege weiß, wie könnte es anders sein, zu gefallen. Gerade Robert Redford gefällt als naturverbundener Einzelgänger besonders. Und doch flammt immer wieder der Gedanke auf, was ein singulärer Virtuose wie David Lean (Die Brücken am Kwai) wohl Meisterhaftes aus diesem Werk herausgeholt hätte.