MB-Kritik

Ordinary Justice 2020

Drama

Roberto Sbaratto

Inhalt

Vor der geschlossenen Tür eines Gerichtssaals warten zwei Mädchen. Luce, noch klein, verspielt und eigensinnig. Domenica, fast erwachsen, unsicher und abweisend. Während ihre Väter sich drinnen in einem komplizierten Prozess um Mord oder Totschlag gegenüberstehen, wissen die Töchter draußen nicht, was tun.

Kritik

Der bedeutungsschwere Titel und symbolträchtige Schauplatz suggerieren vielschichtige gesellschaftliche Themen, die in Chiara Bellosis Spielfilmdebüt gelegentlich vage am Rande durchscheinen. Doch je länger die als dramaturgischer Fixpunkt konzipierte Verhandlung sich hinzieht, je öfter die rudimentäre Story sich von Nichtigkeiten aufhalten lässt, desto stärker die Gewissheit, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin sich dieser nichtmal bewusst ist. Ihre zähe Auswalzung beiläufiger Ereignisse in den Gängen eines italienischen Gerichtsgebäudes lässt Publikum und Protagonisten buchstäblich und figürlich außen vor.

Während im Saal verhandelt wird, ob Tankstellenbesitzer Viale (Nicola Rignanese, Marpiccolo) in Notwehr gehandelt hat, als er auf den flüchtigen Einbrecher Daniele (Andrea Lattanzi, Auf meiner Haut) und dessen Komplizen schoss, sitzt draußen Viales jugendliche Tochter Domenico (Sarah Short) gegenüber Danieles Partnerin Angelina (Daphne Scoccia, Ein Wunder) und deren kleiner Tochter Luce (Bianca Leonardi). Alle warten, dass etwas passiert. Und warten. Und warten. Genau wie das Kinopublikum, dem Bellows weder Hintergrund noch Motive der schematischen Figuren eröffnet. Beckett meets Telenovela.

Triviale Intermezzi machen das Kammerspiel zur Geduldsprobe. Ein Handwerker überprüft Leitungen, Domenicas Mutter bringt Verpflegung, Luce verliert den zahmen Spatzen, den sie herumträgt. Oh, flüchtige Freiheit, sie entfliegt! Tiefschürfender wird es nicht, plumper dafür schon. Das Dauermampfen bunter Kaugummis verbindet schließlich Domenica und Luce. Da erreicht die blasse Inszenierung fast das Niveau eines Werbespots - fast. Reklame hat zumindest eine Message, hier jedoch hat keiner etwas zu sagen. Das Urteil erfährt niemand, den Sinn auch nicht.

Fazit

In einem Gerichtshaus langweilen sich die Verwandten der Angeklagten zu Tode, während sie auf das Ende warten. Dem Kinopublikum geht es nicht anders. Wieder was gelernt: Filme können so zermürbend sein wie Prozesse und im Saal zu sitzen ist nicht unbedingt besser als vor der Tür zu hocken. Wenn ein kleines Mädchen vor Langweile ausflippt, kann sich die erwachsene Begleitung des kindlichen Zielpublikums garantiert mit der entnervten Mutter identifizieren. Dafür hat Regisseurin Chiara Bellosi gesorgt.

Autor: Lida Bach
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