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Kritik
Gibt es unter der Leitung der Berlinale Sektionen geheime Absprachen, Programmtage einem abstrakten Thema zuzuordnen? Falls dem so ist, lautete das Thema für diesen Tag im Berlinale Forum jedenfalls: Warten nach Vorlage. In A Portuguese Woman war es noch possierliches Warten auf den Gatten, frei nach Musli. Bei Sara Summa ist es nun das Warten auf den Tod in Gestalt zweier Gelegenheitskriminellen, frei nach Capote. In Cold Blood und das reale Verbrechen, das er chronologisiert, dienten als Blaupause des apathischen Langfilmdebüts. Das finanzierte die Regisseurin offenbar via Crowdfunding. Die Spender erwarten jetzt schlechte Nachrichten.
Erfolgreich war das Projekt wohl insofern, dass es abgeschlossen wurde. Doch ein runder Film ist deswegen nicht dabei herausgekommen. Das Unfertige ist das einzig markante Merkmal der phlegmatischen Inszenierung. Eine Handlung im eigentlichen Sinne existiert nicht. Die vierköpfige Familie Durati, deren Todestag die überschaubare Laufzeit ausfüllt, geht denkbar banalen Erledigungen nach. Sohn Matteo raucht heimlich und bastelt eine Holzkiste als Hochzeitsgeschenk für Bekannte. Papa Renzo raucht auch heimlich und unterzeichnet eine Lebensversicherung, die seine Familie nie kassieren können wird, da ja bekanntlich alle am Ende sterben müssen. Gelacht? Lustiger wird es jedenfalls nicht mehr.
Die jugendliche Tochter Dora hängt am Handy und bäckt mit dem Nachbarmädchen Ricotta-Pie. Das Rezept wenigstens beherrschen am Ende alle, denn Summa wiederholt es mit Teilstücken der Lebensroutine aus Perspektive eines anderen Familienmitglieds. Irgendein dramaturgischer oder kinematischer Mehrwert entsteht durch den als Selbstzweck platzierten Kunstgriff nicht. Hölzern gespielten Szenen in Telenovela-Optik streifen schwelende Problemherde wie Klerikalismus, patriarchalische Machtstrukturen, Depression und Soziopathie innerhalb der Sippe, doch daraus entsteht weder ein sozialer Kommentar noch Spannung oder Figurendynamik. Jede Anteilnahme unterminiert die amateurhafte Darbietung. Da erscheinen die Mörder als Vorboten des (Film)Endes fast als Erlöser.
Fazit
Bedeutungslosigkeit bestimmt das triste Dasein der Bauernfamilie, deren bevorstehende Ermordung kalkuliert zugleich als Spannungsgarant und Selbstrechtfertigung vorweg bekannt gegeben wird. Doch ohne solides kreatives oder handwerkliches Fundament geht die Rechnung zumindest auf filmischer Ebene nicht auf. Der Tod der Protagonisten lässt kalt, da sie überhaupt nie lebendig werden. Capote wusste schon, warum er seine Version der zugrunde liegenden wahren Begebenheiten um die Killer konstruierte. Der einzige Erkenntnisgewinn ist bei Sara Summa ein Tortenboden-Rezept. Und nicht mal das ist toll.
Autor: Lida Bach