Inhalt
Ein Supermarkt in einem Moskauer Vorort. Herz der Finsternis. Die usbekischen „Angestellten“ arbeiten rund um die Uhr, werden bedroht, misshandelt, eingesperrt. Mukhabbat flieht und enthüllt den Teufelskreis moderner Sklaverei.
Kritik
Die magisch-realistischen Exkurse und symbolischen Überspitzungen des ambitionierten Debüts sind bereitwilliger verziehen, wenn man Michael Borodins Panorama Beitrag nicht als dramatische Narration auffasst, sondern als filmische Botschaft. Deren Inhalt und der reale Fall, der den usbekischen Regisseur zum Drehbuch seines ersten Langfilms anregte, geben den sich bis in expliziten Sadismus steigernden Darstellungen von Erniedrigungen, Misshandlung und Ausbeutung erschütternde Berechtigung. Nicht jedoch den deutlichen Schwächen in Charakterisierung und Kontinuität der freien Adaption des Golyanovo-Skandals.
Der Gerichtsprozess um die Versklavung zweier kasachischer Schwestern sowie anderer usbekischer Arbeitskräfte in einem Moskauer Supermarkt führte bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort will auch die als illegale Arbeitssklavin missbrauchte Mukhabbat (Zukhara Sanzysbay) um ihr Recht kämpfen. Doch daraus wird nur eines der losen Enden der holprigen Geschichte. Diese beginnt mit einem Ensemble an Figuren, die von der monströsen Zhanna im titelgebenden 24-Stunden-Shop unter lebensunwürdigen Bedingungen kaputt geschuftet und gefoltert werden.
Wer die Menschen sind, die bis zur Erschöpfung ackern, beschimpft, mit Gegenständen geschlagen und bei Fluchtversuchen von korrupten Polizisten zurückgeschleppt werden, interessiert den Regisseur weniger als das wahrhaftig biblische Ausmaß ihrer Qualen. Erst im zweiten der Akte, in die der Plot zerfällt, erhält zumindest Mukhabbat eine ansatzweise über die Rolle des Opfers hinausgehende Persönlichkeit. Deren wenig glaubwürdige Entwicklung mündet allerdings in eine fragwürdige Bestätigung der simplen Schemata, in die Borodin die komplexe Thematik pressen will.
Fazit
Für ein Plädoyer gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei liefert Michael Borodin ausreichend Brutalität und Blut, doch für eine hintergründige Analyse der aufgezeigten Zustände fehlt es seinem rigorosen Spielfilmdebüt an Differenziertheit und offenbar auch Ambition. Der kalkulierte Einsatz einer für Horrorfilm und Psychothriller gängigen Ästhetik hat einen unangenehmen Beigeschmack von Voyeurismus. Ungelenke religiöse Verweise erzeugen schalen Pathos, wo sorgsame Charakterisierungen und eine solide Handlung weit mehr Wirkung erzielt hätten. Auch Exploitation ist letztlich eine Art Ausbeutung.
Autor: Lida Bach