MB-Kritik

No U-Turn 2022

Documentary

Inhalt

Als junger Mann versuchte Ike Nnaebue, nach Europa zu fliehen. 21 Jahre später besucht er die Stationen seiner damaligen Reise erneut, um zu erfahren, was junge Menschen heute bewegt, sich den Gefahren einer Reise in eine ungewisse Zukunft auszusetzen.

Kritik

Obwohl der Titel das Gegenteil nahelegt, führen viele Wege zurück auf dem gefährlichen Weg, den Ike Nnaebue mit der Kamera einschlägt. Doch freiwillig geht sie niemand. Die Entschlossenheit der Reisenden, mit denen erfolgreiche Hollywood-Regisseur in seinem Doku-Debüt spricht, ist untrennbar verflochten mit Verzweiflung. Manche haben nichts, zu dem sie zurückkehren können. Andere bringen es nicht über sich, ihre zurückgelassenen Familien zu enttäuschen. Für fast alle reicht das Geld nicht bis zum ersehnten Ziel. 

Das ist für die Protagonist*innen aus Nigeria, Burkina Faso und den ärmsten Regionen des Kontinents Europa. Eine Festung, die sich hinter Fassade von Demokratie, Humanismus und Toleranz immer unerbittlicher verbarrikadiert gegen die Menschen, die Nnaebue auf den Stationen seiner On-the-Road-Reportage begegnet. Viele ihrer Geschichten ähneln sich traurig. Die Zwischenstopps Lagos und Tanger werden zu Auffangbecken für alle, die hier hängen bleiben und nicht genug verdienen, um für die Weiterreise zu sparen. 

Es ist wie in einem unfairen Spiel: Wer von der Polizei geschnappt wird, muss zurück auf Los. Von dort beginnt die riskante Reise aufs Neue. Und endet für manche tödlich. No U-Turn erinnert auch an das Endgültige und Unumkehrbare der Schicksale, die sich eröffnen. Zwei Frauen warten jeden Tag an der Küste auf ihre Chance für die Überfahrt Richtung Spanien. Der lebensbedrohlichste Teil der Reise liegt da noch vor ihnen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Fazit

Vielleicht findet Ike Nnaebue seinen vertrauten Zugang zu den Menschen, die nach Europa zu emigrieren hoffen, weil er einst selbst an ihrer Stelle stand. In die Vergangenheit führt kein Weg zurück. Dennoch ist die aufwühlende Dokumentation über Grenzen und Ausgrenzung, Träume und die bittere Realität für den Regisseur ein Trip dorthin, wo er vor 20 Jahren startete. Seine Erfahrungen reflektieren die aktuelle Situation in einem filmischen Prisma, das vielleicht einige Augen öffnet - Grenzen leider nicht.

Autor: Lida Bach
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