Um Regisseur Zhang Yimou ist es zuletzt ein wenig ruhiger geworden, nachdem sein Ausflug in Hollywood mit dem Fantasy-Epos The Great Wall sowohl bei Kritikern als auch Publikum weitestgehend scheiterte. Doch Yimou, auch weiterhin einer der wichtigsten und interessantesten Filmschaffenden Chinas, nutzte die Zeit, um zu seinen Wurzeln zurückzufinden und nun aus dem Stillen heraus mit seinem neuesten Werk Shadow (OT: Ying) hervorzutreten, womit er sein enormes Talent einmal mehr untermauert. Entstanden ist ein historisches Martial Arts-Drama, das uns durch seine visuelle Brillanz und seine ausgekügelte Story zu begeistern weiß.
Auffällig ist zunächst der Look des Films: Eigentlich neigt Yimou zu betörenden, knalligen Farbspielereien, diesmal aber geht er einen völlig gegensätzlichen Weg. In Shadow dominieren allerlei Grautöne, jegliche Farben sind stark entsättigt. Langweilig fürs Auge ist dieser zurückhaltende Ansatz, der die wehmütige Stimmung klasse widerspiegelt, aber keinesfalls, sondern löst pure Faszination aus. Die traditionelle Tuschmalerei Chinas diente hier als Inspirationsquelle für die Gestaltung und Yimou beweist eindrucksvoll, dass er daraus eine visuelle Pracht entfalten kann, die ihresgleichen sucht. Ganz so, als würde er die Leinwand nutzen, um selbst ein Gemälde zu erschaffen. Dafür sorgen unter anderem die wunderschönen Landschaftsaufnahmen, die professionelle Kameraführung sowie das großartige Set- und Kostümdesign.
Shadow baut eine komplexe Geschichte mit zahlreichen Figuren auf, die zunächst in Stellung gebracht werden wollen. Mit der Fülle an Informationen kann der Einstieg ein wenig schwierig ausfallen, die aufgebrachte Konzentration ist es aber wert. Dann nämlich ist die Bühne frei für intelligentes Charakterdrama, das weniger darauf aus ist, alles bis ins Detail zu erklären und auszusprechen, sondern auf subtile Art mit uns zu kommuniziert. Wer die Figuren genau beobachtet, kann viel aus ihren oftmals schweigenden Gesichtern lesen, dazu bedarf es nicht vieler Worte. Intrigen, Wendungen, verbotenen Liebschaften und der Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung finden ihren Platz in der Handlung und machen Shadow überaus fesselnd und angenehm unvorhersehbar. Schön auch, wie geschickt Yimou das Yin-Yang-Symbol (Taijitu), das sich sowohl visuell als auch inhaltlich durch den Film zieht, in sein Werk einbaut, womit es um eine spirituelle Ebene bereichert wird.
Doch Shadow ist nicht nur stilles Drama, bei dem die Beteiligten ihren (Macht-)Kampf auf psychologischer und strategischer Ebene gegeneinander ausfechten, um den Gegner wie in einem Schachspiel zu besiegen, sondern wartet auch mit ästhetisch hervorragenden Martial-Arts-Szenen auf. Wie gut Yimou diesen Bereich beherrscht, wissen wir durch frühere Werke wie Hero oder House of the Flying Daggers bereits bestens. In Shadow kommt es zwar etwas seltener zum handfesten Schlagabtausch, doch wenn es passiert, dann auf höchst imposante Weise. Vor allem der kreative Einsatz von messerbestückten Metallschirmen, mit welchen die Freiheitskämpfer hier ausgestattet werden, lädt zum Staunen ein.
Und so führen alle Wege schließlich zu einem spektakulären Finale, das nicht nur auf Schauwerte setzt, sondern geschickt seine vielschichtig aufgebaute Handlung nutzt, um im letzten Akt noch einmal wirkungsvoll ausgespielt zu werden. Auf die geballte Starpower früherer Werke verzichtet Yimou diesmal übrigens, vermutlich um nicht vom Wesentlichen abzulenken, gut besetzt ist sein Film aber dennoch. Besonders Chao Deng (The Mermaid) darf in seiner Doppelrolle groß aufspielen, was ihm derart gut gelingt, dass dem Zuschauer kaum auffallen dürfte, hier die gleiche Person agieren zu sehen.