Inhalt
Im Drama Shock and Awe zweifelt eine Gruppe Journalisten 2003 an den Massenvernichtungswaffen, die Präsident Bush als Begründung für den amerikanischen Irak-Einmarsch der Öffentlichkeit präsentiert.
Kritik
Rob Reiner (Stand by Me) ist ein guter Regisseur, auch wenn ein Blick auf die letzten Jahre vielleicht etwas anderes vermuten ließe. Da ist vieles Durchschnittliches bis Schwaches dabei und dennoch findet sich immer wieder eine Perle darin. Ob es bei Shock and Awe mal wieder soweit ist, ist durchaus streitbar. Auf dem ersten Blick wirkt dieser Film wie ein konventionelles Biopic, wie es uns immer wieder auf der Kinoleinwand präsentiert wird, und uns zumeist gähnend, manchmal zumindest nachdenklich, aber allzu oft auch verärgert zurücklässt. Wir alle kennen sie: Sie gehen so um die zwei Stunden, sind handwerklich zumeist recht passabel geraten, aber vor allem fehlt es ihnen an Feuer, an Leidenschaft, an politischer Wut oder an kritischer Reflexion. Auch dieser Film wirkt in den ersten Einstellungen wahnsinnig uninspiriert und obligatorisch, schnell steigt man jedoch dahinter, dass hier doch einiges anders ist.
Shock and Awe lebt von den kleinen Besonderheiten, die ihn über den Durchschnitt erheben, die die oftmals zu biedere Inszenierung aufwerten. Zum einen wäre ein auf den ersten Blick oberflächliches Detail zu nennen: Dieser Film geht nur 90 Minuten. Das durchschnittliche Biopic geht zumeist mindestens eine halbe Stunde länger, weil es uns eine Verbindung zum Protagonisten aufbauen lassen möchte und will, dass wir nachempfinden. Gerade dieses Nachempfinden ist jedoch oftmals das Problem dieser Filme. Schaut man sich beispielsweise 12 Years A Slave an, setzt man sich als Zuschauer zu keinem Punkt ernsthaft mit Rassismus auseinander, sondern kann beruhigt aus dem Kinosaal gehen mit Sätzen wie "Ach war das früher schlimm" und "Was der nicht alles erlebt hat". Ein Biopic - und da darf man sich durchaus ästhetisch experimentell zeigen - hat jedoch eine Verantwortung über das Erzählen einer Geschichte hinaus. Es muss begreifen, wofür diese Geschichte steht und was wir auch heute von ihr lernen können. Diese Filme müssen unbedingt politischer werden.
Shock and Awe gewinnt sicher keinen Blumentopf für das beste Storytelling und ist auch kaum unterhaltsam bzw. emotional ergreifend, aber vertritt eine politisch klare und subversive Haltung, die heute wichtiger denn je sein könnte. Journalistische Integrität ist gerade heute, wo nicht nur Radikale, sondern auch Staatsoberhäupter oder Politiker den Medien und Journalisten ihren politischen Wert abzurennen versuchen, von größter Relevanz. Journalismus soll den kritischen Diskurs fördern, der möglichst frei von parteipolitischen Interessen stattfindet. Reiner zeigt uns in seinem neuesten Film eine Gruppe von Journalisten, die sich nicht nur gegen das Establishment behauptet, sondern auch gegen andere Journalisten. Der Film zeigt uns, welche Bürde Journalismus sein kann und zeigt uns vor allem, wie moralischer Journalismus funktioniert, der eben nicht ideologischen oder finanziellen Interessen folgt.
Nun könnte man einwenden, die Leistung der Journalisten, dem dieser Film gewidmet ist, sei nicht die Leistung des Filmes selbst. Schließlich erkennen die meisten Biopics die Leistung ihrer Protagonisten an. Bei Shock and Awe - und das ist wieder eine dieser kleinen Besonderheiten - begegnet man immer wieder diesen kleinen polemischen Momenten, einem gezielt eingesetzten Pathos, der sich nicht den Subjekten, sondern dem Schaffen dieser und der Symbolik hinter diesem Schaffen widmet. In Kritiken kann man lesen, dieser Film sei unkonkret und berichte zu wenig über die Figuren. Das lässt sich insofern zurückweisen, als dass wir hier keinen Dokumentarfilm vor uns haben, sondern einen, der auf einer politischen Mission ist. Oftmals fragt man sich bei Biopics, warum diese Filme ausgerechnet jetzt erscheinen oder aber, warum sie gar keine Bezüge zur aktuellen Politik und Gesellschaft herstellen. Diese Frage erscheint hier obsolet, was nicht nur an der Nähe der Ereignisse, sondern auch an der Evidenz des Appells liegt.
Man muss diesem Film nicht vorwerfen, dass er langweilig sei, man könnte ihm höchstens eine noch stärkere Betonung des eigenen Appells abverlangen. In seinen besten Momenten werden die Dialoge und das Agieren der Protagonisten energisch und explizit: Journalismus fordert die Wahrheit, der Präsident treibt ein böses Spiel, die Medien sind nicht kritisch genug. In seinen schlechtesten Momenten, die ihn auch von einem gänzlich befriedigenden Werk abhalten, suhlt er sich in ästhetischer Konformität. Da wäre ein wenig mehr Feuer wünschenswert gewesen, wie man es zuletzt bei Blackkklansman gesehen hat, der dafür inhaltlich eher dürftig ausfiel, weil er z.B. in seinem politischen Appell strukturellen Rassismus (einer der momentan wohl relevantesten Formen) als Ausnahmefall abtut. Die großen Stärken von Shock and Awe lassen sich währenddessen in seiner konsequenten und klaren politischen Haltung, sowie in seinen von Einzelschicksalen auf das Prinzip an sich verlagerten Fokus ausfindig machen. Seine Schwächen liegen vor allem in der ästhetischen Konformativität, die nicht wütend genug ist.
Fazit
Was "Shock and Awe" vor allem auszeichnet, ist seine deutliche und konsequent dargestellte politische Haltung, die heute vielleicht wichtiger denn je sein könnte: Journalistische Integrität kennt keine Kompromisse. Schwächeln tut es an den oftmals wenig inspirierten Bildern, die einen vermehrt ergreifen könnten und die er nur in manchen Momenten aufbringt. Das trennt ihn letztlich von einem vollends gelungenen Film.
Autor: Maximilian Knade