Sira kann es kaum erwarten: Die junge Fulani-Nomadin ist mit ihrer Familie auf dem Weg zu ihrem Bräutigam. Stark und selbstbewusst, mit einem muslimischen Vater, der seiner Tochter vertraut und darum ihrer Eheschließung mit ihrer Jugendliebe, dem Christen Jean Sidi, zugestimmt hat. Doch die Familie wird unterwegs von islamistischen Terroristen überfallen, die Männer werden kaltblütig erschossen. Als Sira die Angreifer für ihre Tat verflucht, wird sie gekidnappt und vergewaltigt – und allein mitten in der Wüste ihrem vermeintlich sicheren Tod ausgeliefert. Doch Sira ist voller Lebenswillen, eine Kämpferin. Sie schlägt sich durch und kann das Terroristencamp ausfindig machen.
Auf den ersten Blick wirkt Apolline Traorés (Moi Zaphira) in scharfgestochenen Hochglanz-Bildern eingefangenes Wüstendrama wie ein klassisches Rape-and-Revenge-Movie, dem die frische Perspektive und das ungewöhnliche Setting einen spannenden Twist verleihen. Doch die routiniert inszenierte Rache-Story will zugleich mehr und weniger sein als ein gelungener Genrefilm - und verkennt gerade dadurch das vielschichtige Potenzial ihres Szenarios. Jenes ist wie geschaffen für eine feministische Fabel, deren universeller Unterhaltungswert ein distanziertes Publikumssegment erreichen könnte. Doch dieses Konzept wird ins Gegenteil verkehrt.
Hinter der Prämisse einer von starken Frauenfiguren gelenkten Story, die ultratraditionelle Rollenbilder hinterfragt, verbirgt sich eine Handlung, die konservative Narrative bestätigt und diese augenscheinlich einem progressiven Publikum nahebringen will. Die bedenklichen Implikationen beschenken sich nicht auf archaische Gender-Konzepte, die indirekt idealisiert und normalisiert werden. Plünderung, Mord und sexuelle Gewalt, die Fulani-Nomadin Sira (Nafisatou Cisse) auf der Reise zu ihrem christlichen Verlobten erlebt, werden mit Fortschritt und Moderne verbunden. Das Stammesleben indes scheint harmonisch und tolerant.
Sogar zu tolerant, denn der einzige queere Charakter aus dem Stamm Siras Vaters entpuppt sich perverser Verräter. Er ist der Übelste der Terroristen, deren Anführer (Lazare Minoungou, Einfach Schwarz) Sira verschleppt und in der Wüste aussetzt. Doch Sira sinnt schwanger fast ohne Verpflegung monatelang nahe des Terroristencamps in einer Höhle der Rache. Die kommt für die trotz Strapazen wohlgenährten und attraktiven Heldin allerdings nur mit und dank männlicher Unterstützung, nachdem malträtierte Frauenkörper ausgiebige zur Schau gestellt wurden.
Fazit
Die Verklärung fundamentalen Glaubens und christlicher Religion geht in Apolline Traorés Rache-Thriller Hand in Hand mit einer Reihe problematischer Narrative. So setzt die technisch tadellose Inszenierung Queerness mit sadistischer Verkommenheit gleich, bagatellisiert patriarchalischen Traditionalismus, dämonisiert technischen Fortschritt und zeigt Frauen als ahnungs- und hilflos, solange Männer ihnen nicht beistehen. Nafisatou Cisses markantes Schauspiel lässt die voyeuristische Vorführung sexueller Gewalt umso unangenehmer wirken. Die handwerkliche Kompetenz steht in traurigem Kontrast zum ebenso realitätsfernen wie spekulativen Inhalt.