5.0

MB-Kritik

Südsee 2023

Drama

5.0

Dor Aloni
Liliane Amuat
Yuval Levi

Inhalt

Die deutsche Filmemacherin Anne und und der israelische Schauspieler Nuri, wollen ein paar erholsame Tage im Haus seiner Eltern verbringen. Die Sonne scheint, das Haus hat eine Terrasse mit Pool. Die schöne Aussicht wird leider von einer Baustelle gestört, auf der Palästinenser arbeiten. Helikopter kreisen in der Luft, manchmal ertönt ein seltsames Surren. Es ist das Raketenabwehrsystem Iron Dome, das die Bevölkerung vor dem Krieg schützt, erklärt Nuri. Doch so viel Beachtung schenken die beiden der angespannten politischen Situation nicht, stattdessen chillen sie entspannt am Pool und kommen sich immer näher …

Kritik

Gesehen beim 30. Jüdischen Filmfestival Berlin Brandenburg

Anne (Liliane Amuat, Die Mittagsfrau) und Nuri (Dor Aloni, Yona) sind nur zwei Menschen, die gemeinsam eine schöne Zeit am Pool verbringen möchten, um ihrem Alltag zu entfliehen. An sich ist die Idee zum Film wunderbar, weil die beiden nicht etwa auf den Bahamas chillen, sondern in einem Kriegsgebiet abgeschottet von der Außenwelt ihre Runden im Pool drehen. Theoretisch startet Südsee mit einer vielversprechenden Prämisse und vielen guten Absichten, doch praktisch verlaufen alle Bemühungen einen guten Film zu drehen im Sande. Der Wille war da, doch dieser Wille war nicht stark genug, um über den Rand des verkopften Denkens hinauszutreten. So sehr man hier auch bemüht war, Politik und Ungezwungenheit des Daseins in einen Film reinzupressen, so enttäuschend ist die Umsetzung, weil die Regisseurin und Drehbuchautorin Henrika Kull (Glück/Bliss) lehrbuchhaft einen Schritt nach dem anderen setzt und ihre Figuren über die politischen Themen plaudern lässt, ohne die Entwicklung ihrer Beziehung im Auge zu behalten oder genug Hintergrundinformationen zu den Figuren zu liefern.

Man erfährt nicht, wie die Figuren sich kennengelernt haben und man weiß insbesondere über die weibliche Hauptfigur viel zu wenig, um ihre Beweggründe zu verstehen. Das Einzige, was man mit Sicherheit weiß ist, dass sie offenbar ein unfassbar oberflächlicher Mensch ist, weil sie generell auf Juden abzufahren scheint. Sie erzählt andauernd von ihrem jüdischen Ex-Freund und fühlt sich offenbar auch zu Nuri hingezogen, weil er ein Jude ist. Was zwischen ihr und ihrem Ex oder Noch-Freund vorgefallen ist, erfährt man zu keinem Zeitpunkt und es wird auch nicht aufgeklärt, wie es dazu kam, dass Nuri und sie eine gemeinsame Auszeit am Pool verbringen wollten. Deswegen fühlt es sich so an, als hätte jemand wahllos Tagebuchseiten aus dem Leben eines Menschen herausgerissen und sie verfilmt, ohne die nennenswerten Details über die Figuren zu verraten.

Es sei denn, man beabsichtigte, dass man die beiden Figuren für wandelnde Klischees hält, dann hat man alles richtig gemacht. Mit Anne und Nuri hat man eine oberflächliche junge Frau, die ihre Männer offenbar nur nach der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion aussucht, weil sie als Deutsche mit einer kollektiven Schuld aufgewachsen ist und sie will sich von dieser Schuld befreien, indem sie Juden datet. Was zum Kuckuck soll das? Man weiß nicht, was schlimmer ist, der positive Rassismus, der hier als charmant verkauft wird (Ach, was für eine schöne Stimme haben alle Israelis!) oder die Tatsache, dass es Nuri nicht im Geringsten stört, dass er hier nur darauf reduziert wird, dass er ein Jude ist. Dann lässt man ihn auch noch selbstverständlich kluge Zitate schmettern und aus den schlauen Büchern vorlesen und das so plump, dass man den Subtext meilenweit gegen den Wind riechen kann. Als müsste man unbedingt beweisen, was für ein gut integrierter Jude er ist, der Deutschland liebt und dankbar dafür ist, dass er dort leben darf. Man lässt ihn nicht einfach nur sein, sondern Nuri muss als Figur dauernd beweisen, dass er es wert ist, mit der Deutschen abzuhängen, weil er ja eigentlich gar nicht so dumm ist, wie der eine oder andere Zuschauer vielleicht hätte denken können.

Wenn eine Figur nur zum Zwecke der Veranschaulichung der Integration missbraucht wird, dann tut es weh, und zwar so sehr, dass es schwerfällt sich auf diesen Film einzulassen und der lapidare Kommentar von Anne zu den Palästinensern, dass sie ja eigentlich gar nicht so dankbar dafür sind, dass sie in Deutschland sein dürfen, ist abstoßend, weil er genau das zeigt, was der Film mit Sicherheit nicht ausdrücken wollte und dennoch getan hatte: die deutsche Überlegenheit gegenüber anderen Nationalitäten und Religionen. Anne wird dadurch zu der Figur, die die guten und die bösen Ausländer für sich selektiert, dabei alle über einen Kamm schert und eine abschließende Bewertung abgibt. Dabei ist nicht einmal klar, ob sie ausschließlich aufgrund ihrer sexuellen Präferenzen die Juden bevorzugt, schließlich haben sie so einen schönen Akzent, da wird sie ganz wuschig.

Von der Instrumentalisierung weiblicher Körper für Effekthascherei schreckt Südsee auch nicht ab und lässt Anne völlig sinnlos blank ziehen, doch nicht nur Anne, sondern auch Romi (Yuval Levi, Chazarot), die gute Freundin von Nuri, die zu Besuch kommt. Ihr Besuch wird von Nuri auch noch mit den Worten angekündigt: „Sie mag Frauen, du magst doch auch Frauen.“ Und Anne antwortet lasziv: „Manchmal.“ Das sind Momente zum Fremdschämen, die hier in den Film reingehämmert werden, um von der sexuellen Spannung zu zehren, die übrigens einfach verpufft. Südsee verspricht allgemein sehr viel, liefert aber sehr wenig, er ist weder politisch genug noch macht er auf der Beziehungsebene irgendwelche Fortschritte. Deswegen drängt sich die Frage auf, warum man daraus nicht nur einen Kurzfilm gemacht hat, denn für einen Langfilm hat Südsee nicht genug Substanz, weil man bemerkt, dass nicht einmal die Schauspieler selbst ihre eigene Geschichte kennen, sondern nur von Szene zu Szene spielen und das liegt daran, dass man es ihnen genauso wenig erzählt hat, wie dem Zuschauer.

Ohne Subtext und Hintergrundwissen ist es schwer das Ganze zu spielen, dabei sind beide Darsteller definitiv talentiert und gehören nicht zu der Schwachstelle des Films. Die Handlung treibt vor sich hin, wie die Figuren im Pool und stagniert schließlich ganz und der Film zieht sich wie ein Kaugummi. Optisch hat Südsee dennoch ein paar schöne Szenen am Pool zu bieten, auch wenn das ständige Faible für Nahaufnahmen und experimentelle Kameraführung hier und da ein wenig nerven. Vielleicht hätte man die Ecke vom Pool etwas eleganter filmen können. Es ist verständlich, dass man die Baustelle dahinter zeigen wollte, aber die Aufnahmen sind trotzdem alles andere als perfekt. Alles in allem ist Südsee enttäuschend, weil er nicht das liefert, was er verspricht und nicht unterscheiden kann, an welcher Stelle es wichtig ist mehr zu zeigen und an welcher Stelle man zurückhaltender und subtiler vorgehen sollte.

Fazit

Ein verkopfter pseudointellektueller Film, der positiven Rassismus feiert, ohne es zu merken. Abgesehen von optisch ansprechenden Aufnahmen am Pool hat dieser Film wenig zu bieten, sowohl im Hinblick auf die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Protagonisten als auch im Hinblick auf die politische Situation.

Autor: Yuliya Mieland
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