„Gehorchst du nicht der Person, die dich erschuf?“
Irgendwann kommen Julia (Maika Monroe, It Follows) und TAU (gesprochen von Gary Oldman, Die dunkelste Stunde), eine hochentwickelte künstliche Intelligenz, an den Punkt, an dem sie der Bedeutung von Menschlichkeit auf den Zahn fühlen. Es jedenfalls nach ihrer Auffassung zufriedenstellend versuchen. Julia, die entführt wurde und sich in einem durchstrukturierten Smart-Home-Komplex wiederfindet, welches von TAU kontrolliert wird und unter dem Kommando des visionären, aber soziopathischen Wissenschaftlers Alex Upton (Ed Skrein, Deadpool) steht, erklärt das Menschsein kurzerhand damit, einen Namen zu besitzen. Wie Sprachforscher festgestellt haben wollen, liegt in jedem Vornamen eine Botschaft begraben, die das seelische Wesen des Namensträgers definiert. TAU, der niemals die Welt außerhalb der Haustür kennengelernt hat, akzeptiert diese Antwort, weil sie schlichtweg logisch für ihn erscheint: Ich heiße, also bin ich.
Federico D'Alessandro, der hier sein Regiedebüt abliefert und zuvor Storyboards für Thor und Captain America - The First Avengers entwickelt hat, arbeitet in Tau vor der Folie von Klassikern wie 2001 – Odyssee im Weltraum, Blade Runner oder, um in jüngerer Vergangenheit zu bleiben, Ex Machina. Auch Tau versucht sich als Gedankenspiel über die ambivalente Wahrnehmung von künstlichen Intelligenzen, die gleichermaßen Fluch wie Segen für unsere Gesellschaft bedeuten können. Es sind daher auch die besten Szenen des Films, wenn sich D'Alessandro ein wenig von seinen auffälligen und durchsichtigen Genre-Zwängen löst, den stylischen Thriller einen Gang herunterschaltet und sich der Dynamik zwischen Julia und TAU widmet. Julia agiert dabei in der Funktion einer Lehrmeisterin, die von der Welt zwar nicht vermisst wird, dadurch aber genügend Erkenntnisse über sie erlangen konnte.
TAU ist indes der Beweis dafür, dass Science-Fiction zur Realität werden kann – und dass Intelligenz in den falschen Händen auch mit großem Erfolg Angst und Schrecken verbreiten kann. Leider arbeitet Federico D'Alessandro diesen Umstand kaum aus, verlässt sich zu sehr auf seine visuellen Reize, die sich in erster Linie an omnipräsenten Neonlicht weiden und dem kammerspielartigen Szenario nicht nur einen futuristischen, sondern auch einen merklich synthetischen, mechanischen Charakter verleihen. Was es für die Bevölkerung bedeuten würde, wenn sich irgendwann KI-Systeme unter ihnen befinden, die auf Emotionsalgorithmen basieren, sprich, die menschliche Empfindungen heranziehen, um Entscheidungen zu fällen, bleibt seltsam unbehandelt. Ohnehin scheint sich D'Alessandro kaum für Zusammenhänge, Hintergründe und Möglichkeiten zu interessieren, was einerseits ein spannungsförderlicher Effekt hätte sein können, im Falle von Tau aber eher zahnlos und uninspiriert wirkt.
Ratsam wäre es, Tau als reinen Genre-Film zu betrachten, der nur dann in Berührung mit dem philosophisches Programm kommt, welches seinem Thema eingeschrieben ist, wenn es dem Thrill dienlich ist. Wenn sie dem Überlebenskampf von Julia eine dramatische Fallhöhe einräumen, die nur mäßig darüber hinwegtäuscht, dass Federico D'Alessandro eigentlich kein Bewusstsein dafür besitzt, welch vielfältigen und reichhaltigen Anregungen der Film auf den Zuschauer hätte loslassen können: Wir sprechen hier vom Götterkomplex, von Urängsten, vom Fortschritt, der auch immer Veränderung verlautet und somit auch Risiken mit sich bringt. Maika Monroe hingegen überzeugt in der Hauptrolle durchaus, wenn sie erkennt, dass man TAU, die KI, wie einen Menschen mit der Kraft der Überzeugung in eine neue Richtung bewegen respektive programmieren kann.