Toronto im Jahr 1899. Der junge William Lyon Mackenzie King kandidiert für das Amt des Premierministers. Das satirische und anarchistische Fantasie-BiopicThe Twentieth Centuryerkundet die Leiden des jungen Politikers, der später langjähriger Premierminister Kanadas werden sollte. Ernsthafte ödipale Konflikte, eine Obsession für getragene Schuhe und Anti-Onanie-Therapien machen es dem jungen Mackenzie King schwer, seiner Berufung nachzugehen. Er stolpert, von der autoritären Mutter getrieben und auf der Suche nach Liebe, durch eine klaustrophobische Welt, in der klirrender Winter herrscht.
Kritik
Als wären das bühnenhafte Szenenbild, die vorzeitliche Rückprojektion, die exzentrischen Kostüme, das identische Bildformat und die von sarkastischer Melancholie getränkte Besessenheit mit der Geschichte seiner Heimat nicht genug, um Matthew Rankins (Laurentia) Langfilmdebüt als Guy-Maddin-Variante zu verkennen, besetzt der Regisseur noch dessen Stammschauspieler Louis Negin (Keyhole). Er verkörpert die Übermutter des grandios pathetischen Helden. Jenen jungen William Lyon Mackenzie King (Dan Beirne, Willed to Kill) präsentiert Rankin historisch überraschend authentisch, basierend auf frühen Tagebucheinträgen des prägenden kanadischen Premierministers.
Er behauptet sich ebenso unerschrocken in bewährten Nationaldisziplinen („Babyrobben-Massakrieren“ - bis heute beliebte Beschäftigung von Kings Landsleuten), gegen die abgebrühten Konkurrenten Meighan (Brent Skagford, Arrival) und Harper (Mikhaпl Ahooja) sowie den mephistophelischen Lord Muto (Sean Cullen, Bang Bang Baby) auf seinem vorbestimmten Weg an die Spitze der satirisch überhöhten Nation. Deren von psychosexuellen Neurosen geplagten, von aberwitzigen Männlichkeitsproben gestählten Geist betrachtet Rankin durch ein pythoneskes Prisma als bestimmt zu idealisierter Frustration: „Disappointed shall you be, for always and evermore.“
Anarchischer Witz und ein Arsenal cineastischer Referenzen, die vom expressionistischen Weimarer Kinos über 1984 bis Tron reichen, machen das absurde Polittheater nicht nur für Filmfans zur Fundgrube. Den die Extreme von Dada und Obszönitäten stets knapp umschiffenden Humor befeuert süffisante Systemkritik. Die Inszenatorische Ironie garantiert die dramaturgische und stilistische Eigenständigkeit des kabarettistischen Kabinettstücks voll symbolischer Doppelungen: nostalgische Wehmut nach familiärer Geborgenheit und intimer Selbsterkenntnis wächst zur Verklärung eines kollektiven Bedürfnisses nach ökonomischer Stabilität und nationaler Identität.
Fazit
Mit einer famosen Filmfanfare träg Matthew Rankin reaktionäres Romantisieren und pampheltistische Propaganda zu Grabe. Das visuell und dialogisch enigmatische Spielfilmdebüt kreiert eine eigene Filmsprache aus den unverkennbarere Einflüssen Monthy Pythons und Guy Maddins, dessen persönlicher Revision setzt die sich trotz aller Retro-Exzesse der Gegenwart überaus bewusste Patriotismus-Parodie eine universelle Reparation entgegen. Ein grotesker Höhepunkt des Forum Programms, der nicht hält, was er verspricht. Wo ist sie, die für immer und ewig währende Enttäuschung?
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