Ernstzunehmen sei das alles nicht, was der Zuschauer gleich zu sehen bekäme, verkündet Lars von Trier (Melancholia) zu Beginn von The Boss of It All persönlich. Der nachfolgende Film wäre keine Reflexion wert, sondern lediglich eine harmlose Komödie, die es durchzustehen gilt. Ironischerweise stammt diese Aussage ausgerechnet von dem Regisseur, der in diesen ersten Sekunden selbst nur als Reflexion im Fenster des Bürogebäudes zu sehen ist, das von Trier als Handlungsort dient. Wenig überraschend ist The Boss of It All alles andere als harmlos oder trivial, auch wenn sich das Werk unter allen Arbeiten des Dänen tatsächlich am stärksten dem Genre der Komödie zuordnen lässt. Zwischen vorangegangenen Filmen wie Breaking the Waves, Dancer in the Dark und Dogville sowie nachfolgenden Filmen wie Antichrist markiert die 2006 veröffentlichte Komödie einen Bruch in von Triers Filmografie, der schon alleine aufgrund der Inszenierung an die ästhetisch rohen Dogma 95-Anfänge des Regisseurs erinnert.
Geprägt war das Frühwerk des Regisseurs noch von einer verwackelten Handkameraführung, die sich in Verbindung mit der Verwendung von Originalschauplätzen, natürlichem Licht und dem Verzicht auf jegliche Art von Spezialeffekten gegen eine zunehmende Realitätsverfremdung stemmte und das genaue Gegenteil bezwecken wollte. Dieser Form des Dokumentarischen unterliegt auch The Boss of It All, den von Trier ebenfalls fast ausschließlich in den Räumlichkeiten eines Bürogebäudes drehte, aber ohne Handkamera. Stattdessen verwendete der Regisseur, angeblich, ein spezielles Schnittverfahren namens Automavision, bei dem ein Computerprogramm den Bildausschnitt der jeweiligen Einstellungen per Zufallsprinzip bestimmt. Dies hat zur Folge, dass die Gesichter der Schauspieler oftmals nur in abgeschnittener Form zu sehen sind, während der Film selbst von einer unnatürlich hohen Schnittdichte vorangetrieben wird. Ein Schachzug, der sich neben einem bewusst dilettantisch angelegten Stilprinzip als kluge Abbildung der Prozesse innerhalb der Arbeitswelt entpuppt, die meistens ebenso von willkürlicher Sprunghaftigkeit und wirrer Zerstreutheit geprägt sind.
Inmitten dieser Ästhetik, die sich als Mischung aus experimentellen Nouvelle Vague-Ambitionen und biederer Fernsehfilm-Optik beschreiben lässt, begibt sich von Trier in den Mikrokosmos einer kleinen dänischen IT-Firma, die von dem manipulativen Eigentümer Ravn geleitet wird. Während dieser im Hintergrund das Unternehmen leitet, gibt er sich vor seinen Mitarbeitern nur als Stellvertreter eines Oberbosses aus, der von den USA aus eigentlich sämtliche großen Entscheidungen treffen würde. Dieses Lügenkonstrukt droht jedoch zu zerfallen, als Ravn die Firma verkaufen will und der Chef für den Deal logischerweise persönlich anwesend sein muss. Um vor der gesamten Belegschaft, die vermutlich bald arbeitslos wird, nicht aufzufliegen, engagiert Ravn dafür den arbeitslosen, eitlen Schauspieler Kristofferson, damit dieser die Rolle des Oberbosses spielt. Natürlich geht dieser Plan schief, als die Mitarbeiter den vermeintlichen Chef zu sehen bekommen. Fortan soll Kristofferson seine Rolle für Ravn eine ganze Woche lang weiterspielen und sich in den Büroalltag eingliedern, ohne auch nur das geringste Verständnis für die Materie oder gar zwischenmenschliche Kompetenzen in der Berufswelt vorweisen zu können. Chaos ist vorprogrammiert.
Genauso wie die Einstellungen in The Boss of It All weiterhin in sprunghafter Willkürlichkeit durch die Geschehnisse springen, entwickelt sich die Handlung in den Büroräumen zu einem wechselhaften Hort der sexuellen Gefälligkeiten, wütenden Eskalationen und deprimierenden Konsequenzen. Dabei ist die Komödie von den üblichen aufwühlenden Momenten aus dem restlichen Schaffen des Regisseurs nach wie vor weit entfernt. Stattdessen entspinnt sich The Boss of It All vielmehr als lockere Fingerübung, die von Trier offensichtlich als humorvolle und dabei stets bissige Pause zwischen seinen wesentlich bedeutenderen, tiefschürfenderen Filmen genutzt hat. Hinter spontanen Schäferstündchen auf dem Schreibtisch und blutig geschlagenen Nasen stellt der Film jedoch auch eine konsequent bösartige Betrachtung der hinterlistigen wie absurden Mechanismen moderner Arbeitswelten dar. Neben Kristofferson, der wirklich Schauspieler ist, entlarvt von Trier sämtliche Figuren in seinem Film ebenfall als Schauspieler, die auf spontane Ereignisse derart überspitzt und befremdlich (über)reagieren, dass der alltägliche Arbeitsplatz zum konstruierten Theater verkommt, in dem keine Absurdität unmöglich scheint. In von Triers Arbeitswelt begehen die gefeuerten Ehemänner der Angestellten Suizid, ehe eine surreal-harmonische Versöhnung aller Beteiligten doch noch in den sicheren Abgrund führt.