Titta Di Girolamo ist ein Mensch, der sich in der uns bekannten Welt bewegt, die wir Tag für Tag erleben. Trotzdem scheint er sich zugleich in einer Art Zwischenwelt zu befinden, zu der sein Umfeld keinen Zugang erhält. In Die Folgen der Liebe zeigt Paolo Sorrentino (Ewige Jugend) den Mann als Phantom, das apathisch durch einen routinierten Alltag geistert. Mit ruhigen Kommentaren aus dem Off, in denen stets ein gewisser Zynismus mitschwingt, führt Titta durch sein Leben, das sich kaum noch als solches bezeichnen lässt.
Das Schweizer Hotel, in dem er seit acht Jahren das gleiche Zimmer belegt, nutzt Titta für die immer gleichen Abläufe. Alleine sitzt er mittags an einem Tisch im Foyer, um die Menschen um sich herum zu beobachten, während er sein Abendessen in der Anwesenheit von einem älteren, ehemals wohlhabenden Pärchen zu sich nimmt, mit dem er anschließend noch Karten spielt. In den Momenten dazwischen ist er kaum mehr als ein stummer Dauergast, der durch die Flure des Hotels wandert, bis er schließlich in sein Zimmer zurückkehrt, wo ihn eine permanente Schlaflosigkeit erwartet.
Die Hintergründe über Tittas Verhalten belässt Sorrentino dabei lange im Unklaren. Stück für Stück entblättert der Regisseur neue Details über dessen Persönlichkeit, doch weshalb sich dieser Mann, dem in einer frühen Szene eine Vergangenheit als Finanzmakler nachgesagt wird und der seine Routine gelegentlich für schnell abgewickelte Geldtransfers unterbricht, freiwillig über so viele Jahre in dem Schweizer Hotel aufhält, ist ein Geheimnis, das erst spät in vollem Umfang enthüllt wird. Auf brillante Weise umhüllt Sorrentino die Hauptfigur in einen kunstvoll inszenierten Nebel aus entrückter Elegie, wobei bereits minimale Veränderungen innerhalb der präzise durchstrukturierten Abläufe dafür sorgen, dass das rein verhaltensgeprägte Charakterporträt von Titta winzige Risse erhält.
Irgendwann ist es die Schönheit einer Frau, die als Bedienung in dem Hotel arbeitet und regelmäßig grüßt, ohne eine Reaktion zu erhalten, die ihn aus dem Gefängnis lockt, das sein eigenes Leben darstellt. Neben wundervoll komponierten Szenen, in denen der Regisseur den gegenwärtigen Zustand von Titta mit eleganten Kamerafahrten und einer musikalischen Untermalung zwischen melancholischen Klängen und beunruhigenden Rhythmen als surreal-narkotisierten Schwebezustand vermittelt, sind es vor allem kurze Blicke in den Gesichtern der Figuren, die Sorrentino zu gewaltigen Gefühlslandschaften erhebt.
Nachdem Titta beginnt, auf Sofia zuzugehen, zeichnet sich kurz darauf zum ersten Mal seit Beginn des Films ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht ab, das zugleich seinen schleichenden Untergang markieren wird. In Die Folgen der Liebe, der direkt aus dem Original übersetzt eher Die Konsequenzen der Liebe heißt, erzählt der Regisseur von diesen Konsequenzen mit eindringlicher Tragik, aus der er wiederum eine Art Optimismus schöpft, wenn der Protagonist sichtlich gelockert auf sein unausweichliches Schicksal zusteuert, dem Titta schlussendlich fast schon gelassen begegnet.
Neben seinem grandiosen Stilbewusstsein, mit dem Sorrentino jedem einzelnen Moment die Erhabenheit eines Kunstwerks verleiht, liegt sein größtes Talent in genau diesem Trick, bei dem er die einzigartigen, strahlenden Momente und die deprimierenden, kalten ineinanderfließen lässt, um am Ende den Zuschauer entscheiden zu lassen, welche davon er für sich behalten will.