Regisseur Joe Carnahan ist durchaus mittlerweile eine feste Größe in Hollywood. Inszenierte doch der Kalifornier nicht zuletzt die pompöse Serien-Adaption Das A-Team – Der Film und zeigte damit, dass er wahre Hollywood-Ansätze bereits erreicht hat. Der Höher-Weiter-Schneller-Ansatz allerdings, wurde von Kritikern zu Recht bemängelt und so das actionreiche wie humorvolle Treiben der einstigen Serienstars nur zu einer kleinen Randnotiz im Genre-Dschungel. Dass es allerdings auch anders geht, bewies Carnahan bereits früher mit dem eindringlichen Narc. Düster, melancholisch und gar fast schon minimalistisch, wurde hier ein desillusionierender Cop-Thriller auf die Leinwand gebracht, der gerade durch seine neuen Wege bestach. Mit dem kargen Überlebensdrama The Grey, scheint nun Regisseur Carnahan zurück zu seinen Wurzeln zu wollen. Erneut ist die Sprache düster, der Stil brutal und die Inszenierung regelrecht nihilistischer Natur. Außerdem sank das Budget, im Gegensatz zu den 110 Millionen US-Dollar für das A-Team, auf gerade einmal 25 Millionen US-Dollar. Was folgt ist ein klassischer Genre-Beitrag mit einem Hang zum Minimalen, der gerade durch seine drückende Stimmung besticht. Mit der Konzentration auf das Wesentliche, erzeugt so der Kampf Mensch gegen Natur einen Abenteuertrip, der fesselt, bedrohlich sowie philosophisch wirkt und schlussendlich so regelrecht real.
Dies gelingt The Grey gerade dadurch, dass sich Regisseur Joe Carnahan anfangs viel Zeit für seinen Lieblingsdarsteller Liam Neeson nimmt. Regelrecht sanft wie gemächlich, wird so per Off-Kommentar die Figur des Ottway eingeführt, welcher melancholischer nicht geprägt sein könnte. Verlust, Selbstmordgedanken, die Rückblicke zu seiner Frau und das philosophieren über seine aktuelle Situation, erschaffen ein Profil, welches ganz klar den Mittelpunkt des Filmes einnimmt. Was daraus folgt ist jedoch, dass alle anderen Charaktere nur als Stichwortgeber dienen. Sie werden Stereotype und bekommen kaum eine Tiefe, wodurch letztlich ihr Kampf weniger wichtig wird. Auch sie wollen zwar Leben, Kämpfen, zurück zu ihren Familien und sich gegen die Wölfe behaupten, doch trotz ihres brutalen Ablebens, bleibt der Zuschauer zumeist unbeteiligt. Ein wenig ist dies aber gewollt, denn gerade die Tatsache, dass Carnahan (der auch das Drehbuch schrieb) anfangs die raue Öl-Crew als Abschaum der Gesellschaft bezeichnet, zeigt, wie sehr der Blick hier auf das Allgemeine gerichtet ist. Hier steht der Kampf starker Männer im Mittelpunkt, wo das Recht des Stärkeren gilt. In der Natur jedoch, sind schließlich alle gleich. Niemand kann alleine Überleben, geschweige sich von der Gruppe distanzieren, denn was folgt ist der einsame Tod in einer mehr als malirischen wie trügerischen Landschaft.
Schlussendlich fungiert John Ottway hierbei als Mittelpunkt, um die Geschichte voran zu Treiben. Denn nachdem das Flugzeug spektakulär (eine der besten Szenen des ganzen Filmes) abstürzt, übernimmt er stillschweigend das Kommando. Er trifft die richtigen Entscheidungen, weißt die Feiglinge wie Angeber zurecht und organisiert den Kampf gegen die Natur. Diese tritt vornehmlich hierbei in Form der eiskalten Landschaft auf (die hervorragend fotografiert wurde), doch auch in Form gnadenloser Wölfe, die eine ständige Gefahr für die Gruppe werden. In regelrechter Horror-Tradition, verfolgen diese die Überlebenden, agieren aus dem Hintergrund, verstecken sich im Dunkeln, lauern auf und stürzen sich blitzschnell auf ihre Beute. Dies ist wahrlich unrealistisch in Szene gesetzt (die Wölfe sind überall und mehr als brutal sowie angriffslustig), soll aber symbolisieren, wie sehr der Kampf der Wildnis zerren kann. Die ständige Bedrohung fungiert als Spannungsverstärker und sorgt dafür, dass das Abenteuer zu einem wahren Höllen-Trip wird. Jedoch begeht The Grey hier den Fehler, sich zu sehr auf alte Konventionen sowie Klischees des Genres zu verlassen. Zu bekannt wirkt die Hetzjagd, zu sehr konstruiert das jeweilige Ableben der einzelnen Mitglieder. Zwar bleibt das tödliche Duell stets atemberaubend sowie furchteinflößend, doch an zu vielen Stellen gibt es einige konstruierte Längen. Doch letztlich bleibt der brutale Überraschungseffekt ein Kernpunkt der kargen Story, der neben seinem düsteren Grundton, stets für wahrlich gruselige Szenen sorgt.
Da die Figur des John Ottway als Anker fungiert, benötigt es indes hier einen Schauspieler, der gerade durch sein kraftvolles wie souveränes Auftreten überzeugen kann. Mit Liam Neeson hat hier Regisseur Joe Carnahan abermals den richtigen getroffen, denn schon in seinen früheren Werken bewies Neeson eindrucksvoll, dass ihm niemand das harsche Auftreten streitig machen kann (96 Hours, Batman Begins). Auch hier ist seine Darstellung fabelhaft, wenn auch gerade durch den melancholischen Ton anfangs passend zurückhaltend. So ist Ottway ein gebrochener Mann, der nur noch an einem Gedanken festhält und somit weiterlebt. Gerade diese zynische Sicht, überträgt Neeson perfekt, wodurch ihm die Führungsrolle wie auf dem Leib geschneidert ist. Er fungiert so als Gerechtigkeit, als Wegweiser, als Strohhalm in einer eisigen Welt, aus der es scheinbar kaum ein entkommen gibt, außer dem kalten, brutalen Tod. Bis zur letzten Konsequenz, führt Neeson so die Rolle fort, bis dann am Schluss das unausweichliche Finale folgt. Doch gerade dieses wird für Diskussionen sorgen, ist es doch gemessen an der Geschichte zwar passend, allerdings für einen Abenteuerfilm dieses Formates zu überzogen. Die restlichen Darsteller indes, liefern eine gute Leistung ab, wenn sie auch aufgrund ihrer geringen Profile oftmals nur Randnotizen bleiben.