Über zwei Jahrzehnte ist es her, dass Peter Jackson (King Kong) mit Der Herr der Ringe – Die Gefährten den ersten Teil einer Fantasy-Trilogie vorgelegt hat, von dem man nie gedacht hätte, dass er möglich wäre. Nicht nur galt Tolkiens Geschichte lange als unverfilmbar, auch setzte Jackson in Bezug auf Opulenz und Bildgewalt neue Maßstäbe. Es sollten zwei Sequels und die Prequel-Trilogie zum Hobbit Bilbo Beutlin folgen. Dass nun mit Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim ein Anime in die Fußstapfen des Großmeisters treten soll, macht neugierig. Schließlich bieten sich das große World-Building mit Fantasy-Elementen, die epische Größe der verhandelten Konflikte und die damit verbundene Theatralik sehr gut für die Anime-Kunst an. Mit Kenji Kamiyama übernimmt ein diesbezüglich erfahrener Künstler die Regie. Kamiyama zeichnete sich beispielsweise für Ghost in the Shell: Solid State verantwortlich.
Dieser macht sich nun auf, um uns die Geschichte von Helm Hammerhand (Brian Cox) zu erzählen, dessen Mythos eingefleischten Herr der Ringe-Fans bereits bekannt sein sollte. Hammerhand, der neunte König von Rohan, schlägt einen Rivalen mit einem einzigen Schlag tot. Damit macht er sich nicht bloß um seinen Beinamen "Hammerhand" verdient, sondern löst auch politische Unruhen aus: Wulf, der Sohn des getöteten Dunländer Fürsten, schwört Rache an Helm und seiner gesamten Familie. Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim erzählt von diesem blutrünstigen Rachezug und der Legende, die noch Jahre später in den Herr der Ringe-Filmen nachhallen wird.
Filmisch überzeugt das Werk in voller Gänze. Der allgemeine Look, die Animationen und Landschaften lassen die Welt lebendig werden. In Kombination mit der beeindruckenden Kinematographie ziehen uns die Kamerafahrten regelrecht in die Leinwand hinein. Hinzu kommt ein inszenatorisches Gespür, das die zentralen Momente des Filmes gewichtig erscheinen lässt. Wenn hier ein Charakter stirbt, dann spüren wir, dass das etwas bedeutet: Ein politisches Beben, ein intimer Verlust, ein höchst widerwilliger Mord. Regisseur Kenji Kamiyama nimmt sich den nötigen Raum, die entsprechenden Szenen sorgfältig aufzubauen. Der epische Score, der sich stark am Klangteppich der Peter Jackson-Filme orientiert, und das Voice-Acting tun ihr Übriges. Gerade Luke Pasqualino, der Wulf spricht, ist hervorzuheben. Der emotionale Overload, der sich in seinem Zorn abspielt, treibt die Handlung vor sich her, lässt sich durch die reine Schreibe aber kaum vermitteln. Es braucht die intensive Performance Pasqualinos.
Ähnliches gilt für Héra (Gaise Wise), die die Protagonistin gibt. Betrachtet man ihre Figurenentwicklung bloß auf dem Papier, erscheint sie dünn geschrieben. Sie hat jedoch eine enorme Symbolkraft, was gerade in dem mythologischen Rahmen, in dem wir uns bewegen, überzeugend erscheint: Sie steht für die Unschuld, die in den Krieg hineingerissen und dazu genötigt wird, sich zu diesem zu verhalten. Héra profitiert ebenso von einer gut aufgelegten Gaise Wise, wie von den Animationen, die ihrer Figur sowohl Sanftheit, als auch Stärke abgewinnen. Durch Prolog und Epilog des Filmes, in denen Héras Verhältnis zur Macht angedeutet wird, erinnert sie vor allem an parabelartige Figuren, wie man sie beispielsweise aus Ghibli-Filmen kennt. Ihr Bruch mit dem Traditionalismus und ihr Umgang mit ihren Gegnern machen sie zu einer beachtlichen Heldenfigur – gerade in einer so kriegerischen Welt, wie der von Tolkien.
Das World-Building in den Originalfilmen wirkte deutlich fantastischer. Die Geschichte von Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim ist simpel, geradlinig und bietet weniger Raum, die Welt zu erkunden. Das liegt vorrangig daran, dass wir uns hier im Königreich der Menschen bewegen. Wenn fantastische und mythologische Elemente vorkommen, werden diese jedoch zu stimmungsvollen Höhepunkten. Man denke nur an den verheißungsvollen Winter, der über beide Kriegsparteien hineinbricht. Davon abgesehen erzählt das Drehbuch von politischen Gesten, Machtintrigen und einer Besatzung. Man spürt, in welche Richtung sich das Fantasy-Genre in den letzten zwanzig Jahren entwickelt hat. Für ein Prequel ist diese tonale Verschiebung wunderbar. Es wird spürbar, dass wir es mit einer Legende aus einer anderen Zeit zu tun haben – erzählerisch und visuell.