Inhalt
Spinnennetz und Fliegenauge, erzählt Herr Emmer in einem lichten Moment, seien auf perfekte Weise abgestimmt. Die Fäden des Netzes seien so gesponnen, dass sie dem Facettenauge unsichtbar blieben. In ihr Unheil fliegt die Fliege, ohne es zu ahnen.
Kritik
Ein Mann geht durch den Wald und einer Frau auf die Nerven. Klingt schon mal nicht nach einem berauschenden Konzept, das Fabrizio Ferraro aus den narrativen Überbleibseln seines letzten Spielfilms The Unwanted of Europe kondensierte. Aber es kommt noch abgedroschener. Der Mann (Freddy Paul Grunert) ist ein brillanter Regisseur. So ein verschrobener Künstlertyp mit zotteliger ergrauender Mähne, Bierbauch und Kippe in der Hand, der dauernd vor sich hingrummelt. Das Gegrummel ist natürlich durchtränkt von Genie.
Seiner bezahlten Begleiterin - nichts Unanständiges, Caterina (Catarina Wallenstein, Portugal Mon Amour) ist Assistentin im Auftrag eines Filmproduzenten - geht die Genialität der zwischen Zigarettenrauchwolken ausgespuckten Sätze total ab. Und wie erwähnt zunehmend auf den Keks. Das ist mehr als verständlich, denn der Regisseur und Drehbuchautor realisiert offenbar nicht den verrosteten Chauvinismus seiner Konstellation vom hochintelligenten, aber sozial verkümmerten Mann und der ihm ergeben hinterherdackelnden Frau, die zwar kein Wort seiner Weisheiten kapiert, aber seine Gegenwart als gnädiges Geschenk nimmt.
So wie sich der Typ womöglich nach dem italienischen Filmemacher Luciano Emmer benannte Emmer gedanklich in ein Projekt über Hölderlin Verrat hat, verläuft er sich nun im Schwarzwald, Caterina und die komplette Story im Schlepptau. Folglich ist Emmers Hölderlin-Film nicht der einzige, der nie zustande kommt. Auch Ferraros prätentiöses Porträt entwickelt sich nirgendwo hin und ist in seiner Stagnation und paternalistischen Selbstvergessenheit- und -besessenheit noch ermüdender als ein Fußmarsch durchs Dickicht bei nasskaltem Wetter.
Fazit
Nur weil Hölderlin in späteren Jahren ausgedehnte Waldwanderungen machte und von einer jüngeren Bekannten umsorgt wurde, ist noch lange nicht jeder alte Knacker, der faselnd durch den Forst stapft, ein Genie. Erst recht nicht, wenn er dabei pafft. Noch nie was gehört von Waldbrandgefahr? Für Fabrizio Ferraro lautet die Antwort klar „Nein“ und gilt auch für einigermaßen zeitgemäße Geschlechter-Rollenbilder. Geistige Umnachtung, die diesige Naturbilder vermitteln, befällt wohl einige Regisseure. Genial sind sie deswegen nicht.
Autor: Lida Bach