Inhalt
Ein Mann namens Qohen Leth lebt in einer Welt, in der die Menschen vom Staat überwacht werden. Während er auf einen Anruf wartet, der ihm den Sinn des Lebens offenbaren soll, bekommt er Bescuh von zwei Gestalten, die ihm bei der Suche nach der Antwort auf die Frage aller Fragen weiterhelfen können.
Kritik
Bei Pressevorführungen ist es meist so, dass man vom Verleih, vor oder nach dem Film, noch ein Presseheft in die Hand gedrückt bekommt. Darin werden in teils ermüdender Akkurarität die wichtigsten Fakten und Infos wiedergegeben, natürlich einhergehend mit der Botschaft, dass dieser Film wirklich etwas ganz Besonderes ist. Das Presseheft zu „The Zero Theorem“ beginnt jedoch anders als andere, nämlich mit einer persönlichen Botschaft des Regisseurs Terry Gilliam („Brothers Grimm“).
Gilliam, das Monty Python-Mitglied, welches für die Animationen zuständig war und der lange Zeit als einer der visionärsten Regisseur der Industrie galt, der mit Meisterwerken wie "Time Bandits" „König der Fischer“, „12 Monkeys“ oder „Fear and Loathing in Las Vegas“ für Furore sorgt, dann allerdings vor allem dadurch auffiel, dass sein Traumprojekt „The Man who killed Don Quixote“ immer wieder an der Realisierung scheiterte (was im Film „Lost in Mancha“ auf unterhaltsame Weise dokumentiert wurde) und dessen andere Filme an der Kinokasse Schiffbruch erlitten und auch bei den Rezession auch meist nur mittlere bis untere Wertungen erhielten.
Diese Botschaft von Gilliam im Presseheft wirkt daher wie der verzweifelte Versuch, seinen größten Feinden, den Kritikern, den Weg zu weisen, welche Intention er mit seinem neusten Film hatte. Gilliam sieht diesen Film als moderne Variante eines seiner besten und wichtigsten Filme an: „Brazil“, der vor gut 30 Jahren in die Lichtspielhäuser kam und definitv ein zeitloses wie wunderschönes Stück Kino ist. Ein Stück welches durch seine Courage, Kreativität und Aussage so heute, wohl gar nicht mehr möglich wäre. Es ist eine satirische wie verspielte Parodie von George Orwells „1984“, welche jedoch nicht den Kern von Orwells Werk verwässert, sondern ihn so geschickt wie gewitzt umformt und dabei die kritische Prämisse konzentriert.
„The Zero Theorem“ soll nun also in eine ähnliche Kerbe schlagen und fungiert dabei als wenig subtiler Agitator gegen den modernen, vernetzen Wahn. Gilliam schießt scharf gegen Social Media, Selbstdarstellungsdrang und die anderen Trends des Internets, bzw. unserer heutigen Gesellschaft. Dafür entwirft er eine Welt, bunt und abgedreht, so als ob ein Kaugummiautomat einen Fiebertraum hätte. Überall Bewegung und grelle Farben, Monitor noch und nöcher, der Geruch von Neonfarben und Plastik liegt in der Luft, in der auch der Lärm von Menschen, Straßenlärm und Lüftern zu vernehmen ist. Alles ist grell, überzeichnet, zittrig. Eine wenig nonchalante Reflexion unserer Zeit. Das entbehrt nicht einer gewissen Faszination. Doch Gilliams Methode durch ständige Übersättigung gegen ständige Übersättigung vorzugehen, trägt keinen ganzen Film.
Vor allem dann nicht, wenn der wilde, futuristische Reigen die eigenen Synapsen verklumpt und man sich fühlt, als würde einen Terry Gilliam immer wieder ins bunte Bällchen-Bad schubsen und einen immer wieder mit dem Kopf auf den Grund drücken. Diese keineswegs latente Aggressivität der Bilder, Farben, Formen und Absurditäten nimmt „The Zero Theorem“ einiges an Eingängigkeit. Dabei verstecken sich überall mal kluge, mal gallige, mal herrlich verschwurbelte Verweise und Gags. Wenn Held Q etwa auf seine Arbeitsstelle kommt, die mehr an eine Arcade-Spielhölle aus den 1980er erinnert, weist die Firma ihre Angestellten mit dem Motto „Arbeit mach Fun“ in die richtige Stimmung zu versetzen.
Es sind solche Kleinigkeiten, die „The Zero Theorem“ gut tun, doch sie stehen im direkten Konkurrenzkampf mit der überbrodelnden, überheblichen Visualität. Ein ungleicher Kampf, vor allem weil Gilliam klar der Überheblichkeit die inszenatorische Trumpfkarte zu schiebt und dabei „The Zero Theorem“ zwar zu einer wilden Achterbahnfahrt macht, die nur leider keine Sicherheitsgurte bietet, weswegen man als Zuschauer in den Kurven und Loopings immer wieder auf den Boden der Tatsachen knallt. „The Zero Theorem“ bekommt einfach keine stringente Immersion hin und somit wirkt auch seine Aussage so kraftlos.
Die zweite Attraktion neben der wirren Farbenwelt, die Gilliam entwirft und entfacht, ist sicherlich Christoph Waltz („Kill the Boss 2“), der als kauziger Programmierer Q mit Glatze und Lust am monströs unbändigem Schauspiel sichtlich Freude mit seiner so komplexen wie anstrengenden Figur hat. Q, der auf der Suche nach nichts weniger ist, als dem Sinn des Lebens, stolpert als missverstandener Außenseiter und Exzentriker durch den Film. Ist Q anfänglich noch eine interessante Figur, mit all ihren Ecken und Kanten, so bleibt eine wirklich sorgsame Entwicklung aus. Vielleicht auch deshalb werden ihm ein junger Daten-Profi (Lucas Hedge, „Moonrise Kingdom“), ein naiv-freundlicher Abteilungsleiter (David Thewlis, „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“) und ein ominöser Chef namens Management (Matt Damon, „Dogma“), der an eine Mischung aus Bill Gates und Max Headroom erinnert, an die Seite gestellt. Das Ergebnis ist wie alles in „The Zero Theorem“ fast schon furchtbar zwanghaft abnorm, einhergehend mit einem altklugen Bestreben. Als Eye Candy darf sich außerdem noch Mélanie Thierry („Babylon A.D.“) zum Cast gesellen, die als Callgirl Bainsley nicht nur für erotische Augenblicke sorgt, sondern ganz im Sinne von Gilliam, auch noch einmal das Thema der vernetzten Isolation von einem gesellschaftlichen in ein emotionalen wie auch sexuellen Kontext hinüber setzt.
„The Zero Theorem“ ist eine pralle Wundertüte und auch wenn es viel zu bemängeln gibt, so gibt es immer wieder einzelne, emblematische Momente deren Dezenz allerdings im wuchtigen Widerhall der dystopischen Zukunftsbilder, mit all ihren Allegorien, meist einen qualvollen Erstickungstod sterben. Wenn man sich als Zuschauer allerdings entdeckt, ist das ein schönes Gefühl, dann strahlt „The Zero Theorem“ plötzlich etwas Charmantes wie Wärmendes aus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Gilliams Kritik an unserer heutigen Gesellschaft nicht frei von Relevanz und scharfem Verstand ist. Nur leider ist die Methode Faust gegen Faust, Lärm gegen Lärm und Maßlosigkeit gegen Maßlosigkeit hier meist zum Scheitern verurteilt. Die traurige Essenz, die von „The Zero Theorem“ trotz aller Qualitäten übrig bleibt, ist nicht mehr als lautes Gepolter, welches sich nicht von der angeprangerten Welt zu unterscheiden vermag. Vielleicht hätte „The Zero Theorem“ ein Flüstern geholfen.
Fazit
Die filmische Kritik an unserer heutigen Welt versackt in der eigens erstellten Dissonanz aus chaotischen Stilreigen und unkontrollierbarem, optischem Exzess. Hingebungsvoll aber teils auch kaltschnäuzig und inkohärent surreal. So spiegelt „The Zero Theorem“ zwar großartig unsere heutige, mediale, vernetzte Zeit wider, vermag es jedoch nicht sich als eigenständigen Kommentar zu deklarieren. Viel mehr als eine rücksichtslose wie ruppige Überflutung unserer Sinne hat diese angestrengte Parabel leider nicht zu bieten. Ein Film wie Bainsley: pures Eye Candy, von dem die Netzhaut durchaus Karies bekommen kann.
Autor: Sebastian Groß