Inhalt
In THOR: LOVE AND THUNDER begibt sich Thor (Chris Hemsworth) auf eine Reise, wie er sie noch nie erlebt hat – und auf die Suche nach innerem Frieden. Doch sein Ruhestand wird von einem galaktischen Killer namens Gorr (Christian Bale), unterbrochen, der die Auslöschung aller Götter anstrebt. Um die Bedrohung zu bekämpfen, holt sich Thor Hilfe von Valkyrie (Tessa Thompson), Korg (Taika Waititi) und seiner Ex-Freundin Jane Foster (Natalie Portman), die – zu Thors großer Überraschung – auf unerklärliche Weise als „Mighty Thor“ seinen magischen Hammer Mjölnir schwingt. Gemeinsam begeben sie sich auf ein kosmisches Abenteuer, um das Geheimnis von Gorrs Rache zu lüften und ihn aufzuhalten, bevor es zu spät ist.
Kritik
Wenn Thor: Tag der Entscheidung zur Sprache kommt, scheint es nur zwei Meinungen zu geben. Die einen wertschätzen den dritten Film der Thor-Reihe wegen seiner Präsentation und dem prägnanten Einsatz von Humor, die anderen (wie der Autor dieser Zeilen) halten das Werk hingegen tonal für unausgegoren, denn während der infernale Infinity War vor der Tür steht und bereits im Vorfeld eine ganze Welt der Vernichtung geweiht ist, machen die Figuren dennoch weiterhin ihre Witze, selbst dann, wenn es dramaturgisch keinerlei Sinn ergibt.
Nun steht mit Thor: Love and Thunder der vierte Teil an, erneut inszeniert und mitgeschrieben von Oscar-Preisträger Taika Waititi (Jojo Rabbit). Die Wertung seiner erneuten Besetzung auf dem Regiestuhl dürfte zwiegespalten ausfallen, aber es ist zum ersten Mal, dass eine Thor-Produktion stilistisch an seinen Vorgänger anknüpft. Da der Film zur aktuell noch anlaufenden Phase 4 des Marvel Cinematic Universe gehört und hier bislang nur eine diffuse Ober-Bedrohung besteht, funktioniert Waititis Witz um einiges besser.
Thor: Love and Thunder verträgt es gut, dass er sich relativ frei entfalten kann. Selten wirkt es so, als ob im Hintergrund eine bereits fest zementierte Leitlinie dafür sorgt, dass sich das Abenteuer auf Schienen bewegt. Anders als beim letzten MCU-Kinofilm Doctor Strange in the Multiverse of Madness wird auch keinerlei Kenntnis der diversen MCU-Serien von Disney+ vorausgesetzt. Selbst die vorangegangenen Filme müssen nicht zwangsläufig angesehen oder aufgefrischt werden. Das erledigt ein kurzes wie amüsantes Recap zu Beginn des mittlerweile 29. MCU-Spielfilms.
Natürlich, auch in Love and Thunder lassen sich Elemente finden, die sehr deutlich aufzeigen, in welche Richtung sich die kommenden Phasen bewegen werden, aber nie wird davon das eigentliche Abenteuer von Thor und seinen Gefährten erdrückt, das sorgt mit dafür, dass Thor Nummer 4 der beste Film des nordischen Hammerschwingers ist, der selbstverständlich erneut von Chris Hemsworth (Tyler Rake: Extraction ) verkörpert wird.
Das ist auch gut so, denn dieser legt hier mal eine immense Spielfreude an den Tag. Das melodramatische der ersten Thor von 2011 ist immer noch passé. Der australische Schauspieler fühlt sich in der augenzwinkernden Welt von Taika Waititi, der für Disney demnächst Star Wars wieder eine Wertigkeit verleihen soll, pudelwohl. Ein wohliges Gefühl, welches wohl auch seine Mitstreiter*innen haben. Die gesamte Besetzung (Russell Crowe als Zeus ist einfach nur umwerfend!) agiert hier mit großer Wonne und Lust am Schabernack, der im vierten Teil weitaus besser hineinpasst also noch beim direkten Vorgänger.
Es gibt aber auch dunkle Momente. Szenen, die Waititi nicht mit einem Gag oder vierte Wand durchdringenden Fingerzeig sabotiert. Diese Passagen sind dann tatsächlich visuell die stärksten im Film und oftmals befindet sich Oscar-Gewinner Christian Bale im Fokus dieser Umstände. Der The Dark Knight-Darsteller spielt Gorr den Götterschlächter und obwohl das MCU selten wirklich ein gutes Händchen beweist, wenn es um die Schurken geht, so kann durchaus festgehalten werden, dass Gorr durchaus einer der besseren Vertreter ist.
Zum einen hat er eine wirklich nachvollziehbare Motivation, zum anderen sind seine Auftritte meist mit einem willkommenen Stimmungswechsel gekoppelt. Dann wird aus Thor: Love and Thunder, der ansonsten hyper-bunt und laut ist, gerne auch mal für eine einige Zeit erdrückend. Es gibt sogar kurze Passagen, die erinnern an Horror. Nein, kein Horror, der nachhaltig hängen bleibt, aber zumindest für eine nette Abwechslung sorgt und ästhetisch mehr liefert als Doctor Strange 2 im Frühjahr. Im letzten Viertel gibt es sogar einen Abschnitt, da wirkt die Disney-Produktion opisch wie die MCU-Version von Zack Snyder's Justice League. Keine Sorge, nicht im 4:3-Format.
Gorr ist also ein Gewinn für den Film und doch, so richtig durchdringend und vollends überzeugend ist auch dieser Bösewicht nicht geraten. Das Problem ist, dass, obwohl die Figur eine Motivation hat, das Drehbuch trotzdem noch eine uninteressante, kosmische, böse Kraft hinzudichtet, die eigentlich für die Taten des Götterschlächters verantwortlich ist. Ganz ehrlich: Wieso? Das versaut den Charakter. Es nimmt ihm die Dramatik und verwässert die Tragik, die der Film eigentlich mit seinem gelungenen Prolog bereits sehr effektiv integriert hatte.
Bales Rolle ist aber nicht die einzige, die durch einen tragischen Kontext in die Handlung implementiert wird. Auch Rückkehrerin Natalie Portman (Oscar für Black Swan) als Dr. Jane Foster, die hier nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern auch als Superheldin Mighty Thor auftritt, zieht eine dunkle Aura hinter sich her. Was genau damit gemeint ist, soll hier nicht verraten werden, immerhin wurde davon im offiziellen Promotionmaterial (noch) nichts preisgegeben. Nur so viel: Das Wiedersehen zwischen ihr und Thor ist ein wichtiger Bestandteil und sorgt nicht nur für Gags, wie eifersüchtige Götterutensilien, sondern eben auch für Dramatik. Es zeigt sich zwar, dass Waititi und seine Co-Autorin Jennifer Kaytin Robinson (Unpregnant) bei ernsten Angelegenheiten das Fingerspitzengefühl fehlt, dennoch funktioniert es weitestgehend.
Aber ohne Wenn und Aber ist Thor: Love and Thunder immer dann am stärksten, wenn er versucht locker leichtes Entertainment zu generieren und ganz nebenbei die Rockmusik der 80er und frühen 90er Jahre zu zelebrieren. Es ist kein Geheimnis. Vom ersten Artwork bis hin zur letzten Szene, dieses Werk ist durchsetzt vom Look & Feel alter Heavy Metal- und Hardrock-Alben. Überbordend, farbenprächtig, satt bis ins kleinste Detail. Was Waititi und sein Team hier abliefert, dürfte der ultimative Fanservice für alle Hair-Rocker sein.
Vor allem Anhänger von Guns n’ Roses kommen voll auf ihre Kosten. Ja, Actionszenen passend zu einem Rocksong timen ist weder innovativ noch kreativ, aber es funktioniert hier verdammt gut, weil die Bilder teils wirklich wunderschön an- und abgepasst sind zur Musik. Die ist wiederum selbst so überspitzt, dass selbst der größte Wahnwitz noch natürlich wirkt. Wer nach der Sichtung von Love and Thunder nicht Child o’ Mine, Paradise City, Welcome to the Jungle und November Rain auf seine Playlist setzt ist entweder taub oder will sich nicht eingestehen, dass diese Trivialmusik einfach großartig ist. So großartig ist Thor: Love and Thunder dann vielleicht doch nicht, aber ein visuell überaus abwechslungsreicher Spaß von dem aber niemand einen Guardians of the Galaxy 2.5 ewarten sollte, auch wenn Teaser und Trailer dieses Versprechen gaben.
Fazit
Das mit allerlei Effekten und Action visualisierte Best-of-Album von Guns n’ Roses heißt „Thor: Love and Thunder“. Ein tonal abwechslungsreicher, dabei stets aber auch kohärenter Blockbuster-Spaß, der überraschend gut für sich alleine steht, obwohl die Marvel Studios natürlich auch hier wieder Unmengen an Hinweisen und Markierungen für die Zukunft ihres Franchise setzen.
Autor: Sebastian Groß