Inhalt
Die langjährigen Freundinnen Martha und Betty starten überstürzt zu einer Reise in die Schweiz auf, wo Marthas todkranker Vater angeblich sein Leben beenden möchte. Was als letzte Fahrt beginnt gerät zu einer Tour quer durch Südeuropa. Das ungleiche Trio muss sich auf jeweils eigene Weise mit den Versäumnissen, Fehlern und unausgesprochenen Gefühlen der Vergangenheit auseinandersetzen. Im warmen Sonnenschein mit malerischer Aussicht und ohne ein Anzeichen von Corona wird aus dem tragischen Abschied ein kurioser Urlaub.
Kritik
„Väter“ wäre ein passenderer Titel für Nana Neuls neurotisches Road Movie. Dessen überspannte Protagonistinnen existieren und agieren einzig in dramatischer Relation zu und emotionaler Abhängigkeit von den elterlichen Männern ihres Lebens. Das sind der schmierige Trinker Kurt (Josef Bierbichler, Zwei Herren im Anzug) und der verwirrte Einsiedler Ernesto (Giorgio Colangeli, Cloro). Erster neigt seine unselbstständige Tochter Martha (affektiert: Alexandra Maria Lara, Liebesdings) mit Lügen und psychischem Druck zu einem Trip zu seiner ehemaligen Flamme gen Süden, wo offenbar die Produktionsgelder liegen.
Daher findet sich die zweite Vaterfigur der im doppelten Sinne zerfahrenen Dramödie auf einer griechischen Insel. Dort hängt die von ihrer fahrunfähigen Freundin als Chauffeurin mitgeschleifte Betty (Birgit Minichmayr, Schachnovelle) vor leicht variierter Urlaubskulisse nun an ihrem Psycho-Papa. Dessen wohl bis Kindesmissbrauch reichende Untaten wiegen Regisseurin Neul und Co-Drehbuchschreiberin Lucy Tanja Fricke damit auf, dass er Schlager trällert. Zwar wird die Abwesenheit beider Väter betont, doch tatsächlich fehlen in dem abstrusen Szenario die Mütter.
Sie sind irrelevant für die Titelcharaktere - im Gegensatz zu Vätern. Als ihr Verdienst gilt indirekt die Freundschaft der Töchter, die nicht Zuneigung prägt, sondern dialogische Exposition. Ohne Männer sind Frauen in dem neo-konservativen Nostalgie-Trip unglücklich, unvollständig und menschlich weniger wert. So angelt Betty sich trotz Depression, Tablettenabhängigkeit und angedeuteten Traumata eiligst ihren Hotelier (Andreas Konstantinou, Monday) und Martha unterstellt Geld und Gesundheit selbstverständlich dem heterosexistischen Familienideal. Geschlecht und Name Kurts Enkelkinds stehen sowieso fest.
Fazit
Vor prä-pandemischen Postkartenansichten entwirft Nana Neuls dritter Kinospielfilm eine verworrene Verklärung sexistischer Traditionskonzepte. Selbst mit zwei grobschlächtig verknüpften Handlungssträngen vermag die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin die zweistündige Verfilmung Lucy Tanja Frickes gleichnamigen Romans nicht zu füllen. Zweck der reaktionären Rundreise ohne relevante Ereignisse und Entwicklungen scheint eine narrative Bestätigung der toxischen Sprüche und abgeschmackten Witze, die den dramaturgischen Leerlauf überbrücken sollen. Auch Birgit Minichmayrs Darstellerkraft kann die herablassend gezeichneten Komödien-Klischees nicht erträglicher machen.
Autor: Lida Bach